Battisterio di Firenze,Bildindex Foto Marburg.



|San Lorenzo, Florenz,Bildindex Foto Marburg.


|Fontana dell'Acqua Paola, Alois Riegl, Die Entstehung der Barockkunst in Rom (1908), 2. Aufl., Wien: Schroll, 1923.










































































































Zentralbau und Langhausbau


Die für die Renaissance entscheidende Bauform des Zentralbaus ist im Gegensatz zum Längsbau, ein rundes, quadratisches oder polygonales Gebäude, welches sich nach dem Mittelpunkt ausrichtet und ein dem Längsbau entgegen gesetztes Raumgefühl hervorruft. Der Längsbau stellt im Vergleich zum Zentralbau das beständigere Element dar. Beide wurden anfangs noch weitgehend unabhängig von einander behandelt. Im Laufe der Zeit entstanden aus liturgischen Gründen zahlreiche Mischformen aus Langbauhaus und Zentralbau. Beispielhaft für diese Entwicklung ist die im 5./6. Jahrhundert entstandene Kuppelbasilika. Beim Zentralbau wird generell zwischen Tholos, Baptisterium und Kreuzkuppelkirche unterschieden.

1. Battisterio San Giovanni
2. Vom Kreuz zum Kreis
3. Der Zentralbau in den Architekturtraktaten der Renaissance
4. Tiefenwirkung von Langhaus- und Zentralbau
5. Die historische Grundlage der Basilika
6. Brunelleschis Basilica di San Lorenzo di Firenze
7. Zur Fassade der Zentral- und Langhausbauten in der Gegenreformation

1. Battisterio San Giovanni

San Giovanni war für die Entwicklung des Zentralbaus in der Renaissance von grosser Bedeutung. Der Bau entstand im 11. Jhr. zurzeit der Romanik. Obwohl das Baptisterium einen oktogonalen Grundriss aufweist, sind die Parallelen zum antiken Pantheon in Rom eindeutig. Tatsächlich wurden für den Bau von San Giovanni teilweise auch antike Spolien verwendet, welche man aber kaum von den übrigen romanischen Säulen unterscheiden kann.
Namentlich für Brunelleschi diente San Giovanni zum vermeintlichen Antiken-Studium. Der Zentralbau des Baptisteriums bildete auch den Ausgangspunkt für Brunelleschis Entdeckung der Zentralperspektive. Der Zentralbau, welchen man von allen Seiten wie auf einem Gemälde überblicken kann, kommt der Idee von der Verknüpfung von Wissenschaft und Kunst in der Renaissance am nächsten.

2. Vom Kreuz zum Kreis

In der mittelalterlichen Gotik war die Basilika der noch weitaus dominierende Kirchentypus. Die Basiliken fundierten auf Grundrissen in Form des lateinischen Kreuzes ("in modum crucis"), wie wir sie auch von heutigen Kirchen kennen. Das lateinische Kreuz war und ist ein Symbol für Christus als Schmerzensmann und für eine disharmonische Welt der Ungleicheit und Ungerechtigkeit.
Rudolf Wittkower behauptet, dass sich während des Umbruchs von der Gotik zur Renaissance "die Wesenheit der Gottheit" wandelte und besonders deutlich in der sakralen Architektur manifestierte. An Stelle des leidenden Christus trat im Verlauf der Renaissance Christus als Pantokrator (griech. "Allherrscher, Weltenherrscher"). Die Disharmonie wurde von der kosmologischen Harmonie abgelöst. Zum Symbol des Kreuzes kam nun neu das Symbol des geometrischen Kreises hinzu. Diese neu religiöse Weltanschauung wurde nun in der Architektur des aufkommenden Zentralbaus konkretisiert.1
Nach Alois Riegl entwickelt sich schon in der Frührenaissance die Hinwendung von der Basilika zum Zentralbau. Die Einwölbung ist Vorbedingung, dass der Innenraum als einheitlich und architektonisch geschlossen gelten darf und gleicht den Raum in Höhe, Tiefe und Breite aus. Die Kuppel ist die Vollendung der Einwölbung und daher die vollkommenste Form. Verstärkt wird der Zentralbau im Barock mit der Hinwendung zum griechischen Kreuz, das aus gleichlangen Kreuzarmen besteht. Vom Grundriss dient es als beispielsweise als Vorlage der Kuppel des St. Peter.

3. Der Zentralbau in den Architekturtraktaten der Renaissance

Die Architekten der Renaissance hielten die Überreste der antiken Zentralbauten allesamt für Tempel. Ebenso gingen sie davon aus, dass die Frühchristen diese antiken Tempel für ihre eigenen Zwecke übernommen und weiterentwickelt haben. Obwohl die heutige Forschung zeigt, dass diese Annahmen oft nicht zutreffend waren, dienten sie den Architektur-Theoretikern, allen voran Leon Battista Alberti, als historische Rechtfertigungen für die Verwendung des Zentralbaus als Sakralbau.
Alberti zählt im Buch VII neun "natürliche" Grundformen zum Bau einer idealen Kirche auf: Kreis, Quadrat, Sechseck, Achteck, Zehneck und Zwölfeck. Wobei er dem Kreis den höchsten Stellenwert und Grad an Vollkommenheit beimisst. Alberti schreibt, dass die Natur das Kreisrund über Alles liebt; das bewiesen unter ihren Schöpfungen der Erdball, die Gestirne, die Bäume, viele Tiere und ihre Nester, und noch vieles andere.(Ausg. 1550, VII)
Neben Alberti sind vor allem auch die Schriften von Francesco di Giorgio für den Zentralbau der Frührenaissance von grosser Bedeutung. Di Giorgio geht wie Alberti von den "reinen" geometrischen Grundformen des Kreises und des Quadrats aus. Wobei diese beiden Grundformen in einer dritten Form, der kompositen Form, miteinander kombiniert werden können, ohne aber ihre "Reinheit" zu verlieren. (um 1480, fol. 23)
Die Architekten der Hochrenaissance fanden ihre Inspirationen enreut bei Vitruv. Cesare Cesarino war der Auffassung, dass sich mit Vitruv die ganze Welt proportionieren liesse. Cesarinos verwendete dazu den Begriff des "commensurare": die Erstellung der Harmonie des Weltganzen. Diesem Willen nach absoluter Harmonie wurde in der Zeit der Hochrenaissance durch Donato Bramantes Tempietto ein Denkmal gesetzt.2

4. Tiefenwirkung von Langhaus- und Zentralbau

Prinzipiell ist der Langhausbau ein Raum mit einer bestimmten Tiefenrichtung. Der Zentralbau hingegen hat keine Richtung und besitzt nach Riegl auch keine Fassade, da kein Anfang und Ende einer solchen definiert werden kann. Trotzdem dienen Fenster und Fassade einer Richtung, da sie die Wirkung in das Innere des Gebäudes, also in die Tiefe, verstärken. Zentrum dieser Tiefenwirkung ist der Mittelpunkt des Gebäudes. Verstärkt wird dieses, im Barock häufig vorkommendes Element, durch die Rotierung um die eigene Achse und den Mittelpunkt, der im Zentralbau auf der Symmetrieachse der Kuppel liegt.

5. Die historische Grundlage der Basilika

Die Basilika (griech. „Königshalle“) die ursprünglich als Markt- Versammlungshalle bzw Gerichtshalle diente, wurde in konstantinischer Zeit für jegliche Art des religiösen Kultbaus verwendet und entsprach nicht ausschließlich der architektonischen Form des Langbauhauses. Die frühchristliche Basilika entstand Mitte des 4. Jhr. aus dem Zusammenschluss großer Hallen und Bauformen, die sakrale Bedeutung besaßen. Die Basilika musste den neuen Forderungen nach Monumentalität und der Präsentation der Würde und Hoheit der göttlichen Herrschaft nachkommen, um deren Status zu verdeutlichen. Mit Beginn des 5. Jhr. nach Christus erhielt er seine dezidierte christliche Bedeutung. Ein allgemeingültiger architektonischer Typus war ebenso wenig wie eine einheitliche Liturgie im römischen Reich nicht entstanden, da spezifische Landestraditionen Einfluss nahmen. Im Zentrum stand, die Würde und Hoheit der Religion bzw. ihrer Vertreter auszudrücken.
Als Grundgestalt ist eine mehrschiffige, lang gestreckte Halle, die in der Apsis endet und durch das Querschiff vom Mittelschiff getrennt wird, festzuhalten. Dem Langhaus ist ein Vorhaus mit Vorhof vorgelagert, später wurde zwischen Querhaus und Apsis als Verlängerung der Chor geschoben. Dabei sind die elementarsten liturgischen Veränderungen: Apsis, Altar, Tribunal, Beleuchtung der Obergarden.

6. Brunelleschis Basilica di San Lorenzo di Firenze

Beim Innen-Ausbau von San Lorenzo diente wiederum der Zentralbau von San Giovanni als Vorbild. Hier wird deutlich, dass es für Brunelleschi offenbar keine theoretische Unterscheidung zwischen Zentralbau und Langhausbau gab. So war es für ihn durchaus konform, die Zentralperspektive, welche vom Zentralbau herkommt, auch auf die Achsen der Basilika zu übertragen. Durch die Wahl dieser Perspektive bekam das Innere von San Lorenzo eine neue Ausdruckskraft und Dynamik.
Die Idee der Zentralperspektive, welche Brunelleschi ursprünglich von der Aussensicht auf den Zentralbau von San Giovanni ableitete, wird nun auf den Innenraum des Langhausbaus von San Lorenzo übernommen. Damit wird die Verschmelzung von Zentralbau und Langhausbau erstmals auch über die Perspektive ermöglicht.3

7. Zur Fassade der Zentral- und Langhausbauten in der Gegenreformation

Nach Riegl hatte die Kirche im Mittelalter vier Fassaden - Ende der Renaissance änderte sich das aber, so dass man sich im Barock nur noch die Mühe für eine Fassade machte. Es ist seiner Aussage nach typisch für den barocken Langhausbau, dass man das Äussere dem Inneren gegenüber vernachlässigte, ähnlich der altchristlichen Zeit, in der man von der materiellen Oberflächlichkeit wegkommen wollte. Im Gegensatz zu damals wurde im Barock dafür eine Seite extrem hervorgehoben und die anderen drei vernachlässigt. So hat Vignola Il Gésu ursprünglich auch mit einer Fassade geplant - diese wurde jedoch zu seinen Lebzeiten nicht gebaut, und als es soweit war, unter Giacomo della Porta, hatte sich der Stil bereits weiterentwickelt. Der Zentralbau hingegen ist im Grunde genommen ohne Fassade, weswegen Michelangelo, der laut Riegl sehr von dieser Bauform überzeugt gewesen war, sich nicht weiter für die Entwicklung der Fassade interessierte. Dessen Nachfolger orientierten sich also am Mittelalter. Die mittelalterliche Fassade ist zweigeschossig (aufgrund der verschiedenen Höhen von Mittel- und Seitenschiffen) und turmlos, und Domenico Fontana war derjenige, der vermutlich die Doppelturmfassade mit der S. Trinità ai Monti erfunden hatte. Interessant ist zu diesem Thema auch der Fontana dell'Acqua Paola von Giovanni Fontana, ein Brunnen mit Fassade. Mehr zu diesem Thema kann bei Riegls "Kunst der Gegenreformationszeit II" nachgelesen werden.

Anmerkungen

1. Wittkower, S. 28-32
2. Wittkower, S. 12-23
3. Baldini und Nardini, S. 45-61



Bibliographie
Ackerman, James S., «Il contributo dell'Alessi alla tipologia della chiesa longitudinale», in: Galeazzo Alessi e l'architettura del Cinquecento, Atti del convegno internazionale di studi, Genova, 16-20 aprile 1974 Genova: Sagep, 1975, S. 461–466.
Adorni, Bruno (Hg.), La chiesa a pianta centrale: tempio civico del rinascimento, Milano: Electa, 2002 (Documenti di architettura ; 142).
Baldini, Umberto und Bruno Nardini (Hg.), "San Lorenzo: Basilika, Sakristeien, Kapellen und Bibliothek", Stuttgart, 1988, S. 39-42/S. 45-61.
Lotz, Wolfgang, «Die ovalen Kirchenräume des Cinquecento», in: Römisches Jahrbuch für Kunstgeschichte, 7, 1955, S. 11–54.
Ohr, Karl Friedrich, «Die Form der Basilika bei Vitruv», in: Bonner Jahrbücher, 175, 1975, S. 113–127.
Riegl 1908: Alois Riegl, «Werden des Barockstiles», in: ders., Die Entstehung der Barockkunst in Rom, Wien: Schroll, 1908, S. 55-90.
Riegl, Alois, «Die Entstehung der Barockkunst in Rom (1908)», 2. Aufl., Wien: Schroll, 1923
Sinding-Larsen, Staale, «Some Functional and Iconographical Aspects of the Centralized Church in the Italian Renaissance», in: Acta ad archaelogiam et artium historiam pertenentia, 2, 1965, S. 203–255.
Stanzl, Günther, "Längsbau und Zentralbau als Grundthemen der frühchristlichen Architektur: Überlegungen zur Entstehung der Kuppelbasilika", Wien, 1979, S. 7-42.
Wittkower, Rudolf, "Grundlagen der Architektur im Zeitalter des Humanismus" (engl. 1949/1962), München: DTV, 1983, S. 11-32.
Zanker, Paul, «Basilika», in: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, 2, 1976, Sp. 81–86.
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