Anonym, Porträt von Sebastiano Serlio, 1560 (?), Öl auf Leinwand, Rom, Palazzo Carpegna, Accademia Nazionale di San Luca, Inventar Nr. 618.

Sebastiano Serlio, Tutte le opere d'architettura et prospettiva...diviso in sette libri, Venedig: Francesco de Franceschi, 1600, Titelblatt. ETH-Bibliothek Zuerich, Rar 460.


Sebastiano Serlio, Il Quarto Libro... nel quale si tratta in disegno delle maniere de' cinque ordini, cioè, Toscano, Dorico, Ionico, Corinthio, & Composito, Venedig: Francesco de' Franceschi, 1600, 4. Buch, Titelblatt. ETH-Bibliothek Zuerich, Rar 460.


Attach:Säulen_Ordnung_Serlio.jpg Δ Sebastiano Serlio, Tutte le opere d'architettura et prospettiva... diviso in sette libri, Venedig: Francesco de' Franceschi, 1600, Säulenordnung, 3. Buch (Fol. 127r). ETH-Bibliothek Zuerich, Rar 460.


Sebastiano Serlio,Il Terzo Libro...Nel Qval Si Figvrano, E Descrivono Le Antiqvita Di Roma, E Le Altre Che Sono In Italia, E Fvori De Italia, Venedig: Marcolini, 1544, 3. Buch, Titelblatt. Heidelberger historische Bestände.

Sebastiano Serlio's Il Terzo Libro


1. Sebastiano Serlio
2. I sette libri dell'architettura
3. Il Quarto Libro
3. Il Terzo Libro

1. Sebastiano Serlio
Sebastiano Serlio wurde 1475 in Bologna geboren und erhielt seine erste Ausbildung als Maler bei seinem Vater. Seine Laufbahn als Perspektivenmaler folgte zwischen den Jahren 1511-1514 in Pesaro. Von 1514 bis zur Plünderung Roms (Sacco di Roma) im Jahr 1527 war Serlio als Assistent von Baldassarre Peruzzi in Rom tätig, bei welchem er später zum Architekten wurde. Die Jahren zwischen 1527 und 1540 verbrachte der Architekt im Veneto und vor allem in Venedig, wo er mehrere Bekanntschaften mit oberitaliensichen Künstlern und Humanisten schloss. Obwohl Serlios Erfolg als Architekt noch nicht nenneswert war, entstand während dieser Zeit das Projekt eines eigenen Architekturtraktats, das ab 1537 buchweise herausgegeben wurde. „Mit der Veröffentlichung des 4. und 3. Buches, die später in der Gesamtausgabe unter dem Titel I sette libri dell'architettura gedruckt wurden, wuchs das Verständnis für die antike und die moderne, antikisch inspirierte Architektur Roms“1. Da Serlio in seinem 3. Buch eine Widmung dem König Franz I. von Frankreich hinzufügte wurde er nach Frankreich eingeladen wo er später als Hofmaler und Architekt arbeitete, bis er wohl zwischen 1553 und 1555 in Fontainebleau starb. Sebastiano Serlio setzte sich also als Architekt aus, der eine formale Entwicklung begegnet hat „er begann nämlich als nachahmender, doktrinärer bramantesco, eignete sich in Venedig eine freiere und bildhaftere Architekturauffassung an und konnte schliesslich noch im höheren Alter dem Absolutismus und den verschiedenen Ständen im Französischen Königreich adäquate Architekturformen schaffen“2.

2. I Sette Libri dell'architettura
Im 16. Jahrhundert und unter Papst Leo X. wurde die Disziplin der Philologie immer wieder im Zusammenhang mit der Disziplin der Architektur betrachtet. Die Architekten suchten praktische Anweisungen für anschauliche Bauaufgaben, denn damals gab es noch keine vollständigen Schriften die diesen Bedürfnissen von Architekten entsprachen. Die Schriften des Quattrocento und auch nicht die Vitruv-Ausgaben und Kommentare der ersten Hälfte des Cinquecento entsprachen diesen Forderungen. Dementsprechend versuchte Sebastiano Serlio, seinem Hauptwerk I sette Libri dell’Architettura, Regeln zu schaffen die als Fundament galten und die für alle Architekten hilfreich sein konnten. Der Architekt selbst betont in seinem Werk die Tatsache, dass die Regeln nicht nur für die sogenannten elevati ingegni, den äusserst Intelligenten, gelten sondern auch für alle seine mittelmässige Kollegen, die etwas von Architektur verstehen konnten (Il Quarto libro, Vorwort, S. 126, Zeilen 1-3). Zwei bedeutende Werke sollen Sebastiano Serlio beeinflusst haben, einerseits die Übersetzung Vitruvs von Raffael, anderseits die Vorarbeiten seines Lehrers Baldassarre Peruzzi. Diese zwei Schriften halfen Sebastiano Serlio ein mehrbändiges Werk zu schaffen, dass alle Aspekte und Themen der klassischen (und teilweise auch der modernen) Architektur darstellte. Das erste Buch, dass 1537 in Venedig veröffentlicht wurde, wurde später als Libro VI bekannt. Diesen nannte er Regole Generali di Architettura sopra le cinque maniere degli edifici… con gli essempi dell’antichità, che, per la magior parte concordano con la dottrina di Vitruvio. Das 4.Buch enthält die allgemeinen Regeln der Architektur über die fünf Manieren der Gebäude, die er nach Beispielen aus der Antike herausnahm. Drei Jahre später und wieder in Vendig wurde sein Terzo Libro… Nel quale si figurano e descrivono le antichità di Roma (III Libro), publiziert. In diesem Buch versuchte Serlio, Bauaufnahmen von antiken Bauten in Rom und anderen Gegenden Italiens zu beschreiben. Sein Primo Libro… nel quale con facile e breve modo si tratta de’ primi principi della Geometria (Libro I) und das Secondo Libro di Prospettiva (Libro II) wurden gleichzeitig in Paris im Jahr 1545 veröffentlicht. Im 1.Buch beschäftigte sich Sebastiano Serlio mit der Geometrie, im 2. Buch mit der Perspektive. In seinem Libro V , den er Libro Quinto di architettura…nel quale si tratta di diverse Forme de’ tempj sacri nannte, beschrieb Sebastiano Serlio die verschiedenen Formen der Tempeln der Antike und wurde in Paris im Jahr 1547 ediert. Bevor das 6. Buch veröffentlicht wurde, entstand im Jahr 1551 sein Extraordinario Libro di architettura nel quale si dimostrano trenta porte di opera rustica mista, in dem die Gestaltung von dreissig Portalen dargestellt und beschrieben wurde. Den Libro VII, der sogenannte Il settimo libro di architettura…nel quale si tratta di molti accidenti che possono occorrere all’architetto, in welchem Serlio über die besondere Situationen und über die Wiederherstellung existierende Gebäude erzählt hat, wurde in Frankfurt im Jahr 1575 veröffentlicht. Sein Libro VI, dass er Il sesto Libro. Delle habitationi di tutti li gradi di uomini genannt hatte, wurde erst nach seinem Tod publiziert.

3. Il Quarto Libro
"Sebastiano Serlio arbeitete schon lange an Zeichnungen nach antiken Baudetails, er vermass antike Monumente und verabeitete dieses Material in den Regole Generali di architettura sopra le cinque maniere degli edifici, die im Gesamtwerk den vierten Band bilden"3. Das 4.Buch über die Säulenordnungen ist laut Serlio das wichtigste und „più necessario de’ gli altri per la cognition delle differenti maniere degli edificij & de’ loro ornamenti’’ (4. Buch, Vorwort, S. 126, Zeilen 6-7) um die verschiedenen Arten von Gebäuden und dessen Ornamente zu verstehen. Das Thema der Säuelenordungen erschien zwar schon in Cesare Cesarianos Vitruv Ausgabe, „allerdings strebte Serlio, der ausser Vitruv auch die Ordungen Dorica, Ionica und Corinthia sowie die Toskanische Spielart und die Komposite, also die beiden italischen Ordungen, unterschied er deutlich nach ihren Höhen und versah sie mit unterschiedlichen Piedistalen“4. Laut dem Kunsthistoriker Walter Hanno Kruft, wurde dank Serlios Lehre der Säulenordnungen und den vereinzelte Veröffentlichungen, eine Tradition fundiert, die sich in den vielen Säulentraktaten des 16. Jahrhundert einstellte5. Im Bezug auf die von Vitruv bestimmten „Decor“- Anordnungen, beanspruchte Sebastiano Serlio eine Angleichung an die Ansprüche seiner Zeit („questi tempi moderni“), man sollte, seiner Meinung nach, inhaltlich und deutlicher den „costumi nostri cristiani“ folgen (4. Buch, Vorwort, S.126, Zeilen 41-43). Die fünf Säulenordnungen wurden somit, respektiv im sakralen und/oder im profanen Bereich eingeordnet. Die erste Ordnung, die sogenannte Toskanische Ordnung, wurde, laut Serlio, für die Befestigunsgbauten bevorzugt da diese eher rustikal und rau war. Die Dorische Ordnung wurde für Bauaufgaben, die sich auf Christus, soldatische und männliche Heiligen und Privathäuser von Kriegshelden und kräftiger Personen beziehen, benutzt. Die dritte Ordnung und zwar die Ionische Ordnung war für die weiblichen Heiligen (die Vita matronale) und für die „huomini letterati & di vita quieta, non robusti“ (4. Buch, Dell'ordine Ionico, S.159, Zeile 6.) vorgesehen. Die Korinthische Ordnung, war für die Jungfrau Maria, die Heiligen mit unbefleckten Lbenswandel, die Klöster und die Privatpersonen, die sich durch keusches Leben ausgezeichnet hatten, bevorzugt. Die letzte Ordnung und zwar die Komposite Ordnung, wurde als Mischform bezeichnet und wurde vor allem an römischen Triumphbögen und bei Suprapostionen beobachtet. Obwohl in Serlios Traktat eine angestrebte Regelhaftigkeit herrscht, muss nicht vernachlässigt werden, dass der Architekt immer wieder auf das Ermessen und auf die formale Freiheit zu sprechen kommt. Durch die Hinweisen auf die Freiheit des Architekten wird Serlio "zum theoretischen Begründer eines architektonischen Manierismus"6. Indem Serlio die Unterschiede zwischen den Daten von Vitruv und den antiken Monumente hervorgebracht hat, ging er in seinem 4. Buch sehr kritisch vor.

4. Il Terzo Libro
Wenn man sich mit dem Thema der Antike und Moderne beschäftigt, dann spielt Sebastiano Serlios 3. Buch eine sehr wichtige und zentrale Rolle. Schon der Kunsthistoriker Walter Hanno Kruft bezeichnete Serlios 3. Buch als „erste zusammenhängende Veröffentlichung antiker Architektur“7. Ausserdem stellte die antike Architektur für den Architekt, einen wichtigen Vorbild dar, wie es schon beim Titelblatt des 3. Buches zu beobachten ist. Im Werk Architekturtheorie von der Renaissance bis zur Gegenwart wird erklärt, dass die Architektur die aus Überreste von Säulen und Bögen besteht und die aufs Titelblatt zu sehen ist, den Sehsinn des Lesers berühren sollte. Dazu, dient die lateinische Inschrift auf den halb verfallenen Monument, dem Leser eine bestimmte Botschaft nachzuempfinden und zwar: „was Rom einst war, zeigt sich sogar im Verfall“ (Roma quanta fuit ipsa ruina docet)8. Nirgends in seine Bücher ist zu lesen wieso die antike Architektur eine bestimmte Vorbildhaftigkeit darstellt. Trotzdem versucht Serlio in seinem 3. Buch eine Erklärung darzulegen indem er den Pantheon als schönster Bau der Antike definiert (3. Buch, Delle Antichità, S. 50, Zeile 1-3). In der Tat, bezeichnet Serlio die Form des Pantheons als vollkommenste, schönste und unversehrteste unter all den Bauten der Antike. Mit diese Bezeichnungen versuchte der Architekt anschliessend seine theoretischen Anhaltspunkte zu erläutern. Sebastiano Serlio hatte auch einige zeitgenössische Monumente zwischen den antiken eingeordnet. Die Bauten von Donato Angelo di Pascuccio genannt Bramante, Raffael und von Baldassarre Peruzzi waren für Serlio besonders bemerkenswert. Der Architekt selbst, nannte diese Bauten als „bellissimi ingegni d’Architettura“ (3. Buch, Delle Antichità, S. 65, Zeilen 3-4) da diese drei Künstler, seiner Meinung nach, eine perfekte Architektur erzeugen konnten. Unter den Bauten des Quattrocento nannte Sebastiano Serlio die Villa Poggioreale in Neapel als einziger repräsentativer Bau. Der Bau der Villa hat laut Serlio, eine „bellisima forma, et è molto ben compartito“, eine sehr schöne Form und ist sehr gut aufgeteilt (3. Buch, Delle Antichità, S. 121, Zeile 18). Die Zeichnungen von moderne Bauten sollten die Verbindung von antike und moderne Architektur hervorbringen, daher bekamen Serlios Texte genaue und präzise Massangaben und unterzeichneten ausserdem die Tatsache, dass er sich mit einer ordentliche und genaue Vermessung beschäftigt hatte. Serlio bewunderte nicht nur die Architektur der römischen und griechischen Antike sondern auch die Schönheiten die in Ägypten zu sehen waren. In seinem Anhang des 3. Buches den er eben „Trattato di alcune cose meravigliose dell'Egitto“ nannte, versuchte Serlio über einige wunderbaren Dingen Ägyptens zu sprechen. Der Architekt ging von den Römer über die Griechen auf die Ägypter zurück wobei er den Verlust der Sachen der Griechen bedauerte, von denen er aber meinte diese konnten die Dinge der Römern bewältigen. Währenddessen wurden die Sachen der Ägypter als „sogni e chimere“, Träume und Chimären bezeichnet. Mit Seinem 3. Buch legte Sebastiano Serlio ausserdem den Grundstein für den Streit über den Vorrang der Griechen oder der Römer, der im 18. Jahrhundert so wichtig wurde. Der Kunsthistoriker Erik Forssman behauptet, dass „die Kunstgeschichtliche Bedeutung von Serlios Werk kaum zu ünberschätzen sei. Für das 16. Jahrhundert waren seine Publikationen folgenreicher als die Vignolas oder Palladios. Sein Architektonischer Bilderatlas war eine Neuerschöpfung innerhalb derGattung Architektur-Literatur“9.

Anmerkungen
1. Kruft 1991, S. 80.
2. Forssman 1968, S. 66-67.
3. Kruft 1991, S. 81.
4. Architekturtheorie 2000, S. 36, vgl. Kruft 1991, S. 82.
5. Kruft 1991, S. 85.
6. Kruft 1991, S. 87.
7. Kruft 1991, S.84.
8. Architekturtheorie von der Renaissance bis zur Gegenwart 2006, S. 38.
9. Forssman 1968, S. 66.





Bibliographie
Serlio, Sebastiano, Tutte l'opere d'architettura, Venedig: Francesco de Franceschi, 1600.
Serlio, Sebastiano, Il Terzo Libro...Nel Qval Si Figvrano, E Descrivono Le Antiqvita Di Roma, E Le Altre Che Sono In Italia, E Fvori De Italia, Venedig: Francesco de Franceschi, 1544.
Dinsmoor, William Bell, The Literary Remains of Serlio, in: The Art Bulletin, 24(1), Mar. 1942, S. 55-91.
Forssman, Erik, [Review] Sesto Libro delle Habitationi di tutti li gradi degli Homini by Sebastiano Serlio By Marco Rosci Architektur,in: Zeitschrift für Kunstgeschichte, 31 (1), 1968, S. 64-67.
Frommel, Sabine, Sebastiano Serlio, Architekt,Milan:Electa, 2003.
Jobst, Christoph Sebastiano Serlio. Tutte l'opere d'architettura et prospettiva, in: Architekturtheorie von der Renaissance bis zur Gegenwart, Köln: Taschen, 2006.
Kruft, Hanno Walter, Geschichte der Architekturtheorie. Von der Antike bis zur Gegenwart, 3., durchgesch. u. ergänzte Aufl., München: Beck, 1991.
Vaughan Hart mit Peter Hicks (Hg.), Paper Palaces. The rise of the Renaissance Architectural Treatise, New Heaven/London 1998.
Schlosser, Julius, Die Kunstliteratur. Ein Handbuch zur Quellenkunde der neueren Kunstgeschichte, Wien: Schroll, 1924.\\
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