Pienza, Domplatz
(nach Heinrich Holtzinger, «Pienza. Auf- genommen und gezeichnet von den Ar- chitekten K[arl] Mayreder und C[arl] Bender», in: Allgemeine Bauzeitung, 47, 1882, S. 17ff., Taf. 16–25).











































































Pienza


1. Einleitung
2. Die Piazza
3. Der Palazzo Piccolomini
4. Die Kathedrale
5. Pienza als Idealstadt?

1. Einleitung
Pienza, ursprünglich Corsignano, wurde zwischen 1459 und 1464 von Papst Pius II, das heisst Enea Silvio Piccolomini, ausgebaut.
Diese Stadt war der Heimatsort Enea Silvio Piccolominis, der 1405 in Corsignano geboren wurde, und der hier die Jahr seiner Jugend verbrachte. Um seinen Ausbau zu ermöglichen, kaufte der Papst Pius II, wie in den Rechnungsbüchern des päpstlichen Geheimfonds sowie in den Urkundenregiester im Sieneser Notariatsarchiv zu lesen ist, viele Gebäude und Grundstücke, aber ein grosser Teil des Ortes gehörte schon vorher dem Piccolomini; Silvio, Pius Vater, hatte nämlich hier seine angestammten Güter.
Enea Silvio Piccolomini hatte schon als Kardinal den Wunsch seine Stadt auszugestalten und als er im Jahr 1458 Papst wurde, hat er mit seinem Projekt begonnen. Er liess das Dorf umbenennen und begann in der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts mit dem Ausbau der Stadt.
Im Jahr 1459 begann der florentiner Architekt Bernardo Rossellino (1409 – 1464) mit den Umgestaltungen und schon drei Jahren später wurden die Hauptbauten fertiggestellt. Die Bauarbeiten endeten aber schon 1464 wegen dem Tod des Papstes. Für eine genaue Datierung der Arbeiten siehe Adams The Acquisition of Pienza 1459-1464.
Heydenreich sagt nämlich, in seinem Text Pius II. als Bauherr von Pienza, dass von der Idealstadt, wie sie Pius vorschwebte, nur die von ihm selbst in Auftrag ergebene und im Enstehen ständig überwachte monumentale Hauptbaugruppe an der Piazza aufgeführt worden ist. Der Papst Pius II konnte das vollendete Werk bewundern und die Kathedrale einweihen.

2. Die Piazza
An der Piazza, die sich in der Mitte der Stadt befindet, konzentrieren sich die wichtigsten Bauten der Stadt und auch die grösseren Arbeiten des Projekts Piccoliminis.
Es gibt den Palazzo Piccolomini, die Kathedrale, den Palazzo Vescovile und das Canonicagebäude. Die drei wichtigsten Bauten, das heisst der Palazzo Piccolimini, die Kathedrale und der Palazzo Vescovile, umgeben den ganzne Platz und bilden den zentralen Kern der Stadt Pienza.
Diese Bauten haben eine völlig verschiedene Struktur und sind in einem verschiedenen Stil gebaut worden, um eine hierarchische Differenzierung zu setzen. Der Architekt Bernardo Rossellino benutzt aber oft das Material um das Verhältnis zwischen diese Bauten zu zeigen. Zum Beispiel benutzt er sowohl für die Kirche als auch für den Palast Piccolominis, einerseits mehr, andererseits weniger, den Travertin.
Jeder Bau bewahrt also seine individuelle Physiognomie, aber Materialien, Masse und Formen schaffen dialogische Bezüge, setzen Bauten und auch Freiflachen zueinander ins Verhältnis.

3. Der Palazzo Piccolomini
Der Palazzo Piccolomini hat einen florentinischen Vorbild, das heisst der Palazzo Rucellai. Es handelt sich aber nicht um eine blosse Kopie dieses Palastes, sondern eine monumentale Variante (Forster The Palazzo Rucellai and Questions of Typology in the Development of Renaissance Buildings).
Der Palazzo Piccolomini steht auf einem isolierten Grundstück und wurde städtebaulich so plaziert, dass der Betrachter ihn auf einen Blick als Kubus wahrnehmen soll. Die Quadermauer hat hier also die Aufgabe, den Block optisch zusammenzuschliessen. Wie schon gesagt, benuzt Bernardo Rossellino den Travertin, der keine Feinheiten erlaubt, aber der eine antike Steinsorte war, die an römischen Monumentalbauten charakteristisch in Erscheinung trat.
Ungewohnt grosse Fenster lassen den Bau am öffentlichen Raum partizipieren, zeigen an, dass weder der Bewohner von der Stadtbevölkerung etwas zu befürchten hat, noch umgekehrt. Nach Süden, also vor dem Garten, ist ferner die Fassade in ganzer Höhe durch Loggien in allen drei Geschossen geöffnet.

4. Die Kathedrale
Auf die Gestaltung der Kathedrale, das wichtigste Gebäude der Piazza, hat sich das Hauptinteresse des Papstes konzentriert. Pius selbst hat nämlich den Plan dieses Sakralbaus bestimmt.
Er wollte der Kirche die Form einer deutschen Hallenkirche geben und er beschreibt, in seinem Buch Commentarii, die allgemeinen Vorzüge dieses Kirchentypus, die Heydenreich zusammenfasst:
- die Übersehbarkeit des ganzen Baus einschliesslich des Chores vomEingang aus
- die drei gleichhohen Schiffe, die dem Raum die Fülle des Lichts geben, ihn heller und anmutiger machen
- der polygonale Chorschluss mit Kapellenkranz in Form eines gekrönten Hauptes
- die Chorgewölbe in Höhe der Schiffe, ausgestattet mit goldenen Sternen auf blauem Grund, so dass sie dem Anblick des wahren Himmels gleichkamen
- die weiten und hohen Masswerkfenster, die soviel Licht geben könnten, dass der Besucher der Kirche glaubt, nicht von einem Haus aus Stein, sondern einem aus Glas umschlossen zu sein.

5. Pienza als Idealstadt?
Meistens ist die Stadt Pienza als eine ideale Stadt erwähnt, obwohl dieser Stadt nicht wie eine vorschriftsmässige Idealstadt gebaut ist. Eher als eine Idealstadt ist nämlich Pienza ein Monument der Familia Piccolominis und besonders des Papstes Pius II. Dies kommt auch in dessen eigener Bescrheibung seiner Bautätigkeit in Pienza zum Ausdruck (abgedruckt bei Müntz 1878). Die Idee und das Plan des Ausbaues der Stadt ging von einem subjektiven Wunsch Enea Silvio Piccolominis aus.




Bibliographie
Adams, Nicholas, «The Acquisition of Pienza 1459–1464», in: Journal of the Society of Architectural Historians, 44 (2), May 1985, S. 99–110.
Carli, Enzo, Pienza, la città di Pio II, Roma: Editalia, 1967.
Forster, Kurt W., «The Palazzo Rucellai and Questions of Typology in the Development of Renaissance Buildings», in: The Art Bulletin, 58 (1), Mar. 1976, S. 109–113.
Heydenreich, L[udwig] H., «Pius II. als Bauherr von Pienza», in: Zeitschrift für Kunstgeschichte, 6 (2/3), 1937, S. 105-146.
Mack, Charles R., Pienza: the Creation of a Renaissance City, Ithaca: Cornell University Press, 1987.
Pieper, Jan, Pienza : der Entwurf einer humanistischen Weltsicht, Stuttgart: Menges, 1997.
Tönnesmann, Andreas, Pienza. Städtebau und Humanismus (1990), 2., durchges. Aufl., München: Hirmer, 1996.
Kruft, Hanno-Walter, Städte in Utopia. Die Idealstadt vom 15. bis zum 18. Jahrhundert zwischen Staatsutopie und Wirklichkeit, München: Verlag C.H. Beck, 1989.
Smith, Christine, Architecture in the culture of early Humanism : ethics, aesthetics and eloquence 1400-1470, New York: Oxford University Press, 1992.
Tönnesmann, Andreas, Städtebau und Humanismus, München: Hirmer, 1990.
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