Innozenz X., Piazza Navona, Rainaldi, Borromini und Bernini



Giovanni Battista Falda, Fontana in Piazza Navona, in: Giovanni Giacomo de Rossi, Le Fontane di Roma, Libro primo, Roma: Rossi, [ca. 1684] (ETH-Bibliothek Zürich).


Pompilio Totti, Piazza Navona, in: Pompilio Totti, Ritratto di Roma Moderna, Roma: Totti, [ca. 1638] (Bildindex der Kunst und Architektur).


| Giovanni Battista Piranesi, Palazzo Pamphilj, in: Ridolfino Venuti, Accurata e succinta descrizione topografica e istorica di Roma moderna, Roma: Venuti, [ca. 1741] (Kunsthistorisches Institut in Florenz).
















































1. Innozenz X.
2. Piazza Navona
3. Palazzo Pamphilj
4. Der Vierströmebrunnen und die Rivalität zwischen Bernini und Borromini
5. Sant' Agnese auf der Piazza Navona

1. Innozenz X.
Giovanni Battista Pamphilj wurde am 6. Mai 1574 in Rom geboren. Schon zu diesem Zeitpunkt war seine Familie im Besitz eines Palazzos an der südwestlichen Ecke der Piazza Navona. Er durchlief die klassische kuriale Ämterlaufbahn bis er am 15. September 1644 zum Papst gewählt wurde. Er trat jedoch kein leichtes Erbe an, denn er hatte die Folgen eines Krieges zwischen seinem Vorgänger Urban VIII. und dem Herzog von Parma zu überwinden. In diesem Krieg wollte Urban VIII. das kleine Herzogtum Castro nördlich von Rom in Besitz nehmen. Dieser Krieg war ein grosser Fehlschlag und er führte zu schweren Angriffen auf die Person und die Familie des Papstes. Deshalb brachte das Volk dem neuen Papst Innozenz X. grosse Hoffnungen und Erwartungen entgegen. Er galt gemeinhin als Friedenspapst. Indizien dafür sind sein Wappen, die Taube mit einem Ölzweig im Schnabel, was als Symbol gleichzusetzen ist mit Frieden, sowie auch, dass er der 10. Träger seines Namens war. Dies verhiess Harmonie. Drei Jahre nach Baubeginn der Kirche Sant’ Agnese an der Piazza Navona, im Jahr 1655, starb Innozenz X. (Preimesberger 1974, S. 78)


2. Piazza Navona
Die Piazza Navona erhebt sich auf den Resten eines antiken Stadiums, welches von Kaiser Domitian 92-96 n. Chr. für athletische Spiele errichtet wurde. Die langgestreckte Form dieses Stadiums ist heute im Verlauf der Häuserfronten erhalten. Seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts war die Piazza Standort des täglichen Marktes. 1485 wurde die Piazza zum ersten Mal gepflastert und im 15. Jahrhundert wurde sie zur bevorzugten Wohngegend der Oberschicht. Der Bau der Paläste begann und die Piazza erlebte eine architektonische Nobilitierung. Es befinden sich drei Brunnen auf der Piazza, wobei der nördliche und der südliche von Giacomo della Porta gebaut wurden. Die Platzmitte war schon vor dem Bau des Vierströmebrunnens von einer einfachen antiken Steinwanne eingenommen. Diese diente jedoch nur als Pferdetränke und hatte bei weitem keine so grosse Bedeutung, wie der Nachfolgebau. Mit dem Neubau der Fassade und der Erweiterung des Palazzo Pamphilj wurde der städtische Marktplatz nach und nach zum Vorplatz der päpstlichen Residenz. (Burbaum 1999, S. 178)


3. Palazzo Pamphilj
Der Palazzo Pamphilj wurde während dem Papsttum Innozenz’ X. in jahrelanger Planung zunehmend vergrössert. Nach und nach dehnte sich der Komplex nach Norden aus, bis er die Mitte der Platzfront überschritten hatte. Mit der anschliessenden Neugestaltung der Kirchenfassade wurde wieder eine Art Mitte geschaffen. Giovanni Battista Pamphiljs grosses persönliches Interesse, viel in die architektonische Repräsentation zu investieren, zeigt seinen Wunsch nach Repräsentationsbauten und so wurde der Fassade, die zur Piazza gerichtet ist, besondere Beachtung geschenkt. Sie wurde ab 1645 hauptsächlich vom päpstlichen Hausarchitekten Carlo Rainaldi entwickelt, der ebenso die Erweiterungen am Palazzo leitete. 1646 wurde Francesco Borromini zu den Ausführungen hinzugezogen. (Preimesberger 1974, S. 88)


4. Der Vierströmebrunnen und die Rivalität zwischen Bernini und Borromini
Wahrscheinlich brachte der Architekt Francesco Borromini 1647 Innozenz X. auf die Idee, die Mitte des Platzes mit einem Obelisken zu schmücken. Dabei spielte der Petersplatz mit seinen Brunnen und dem zentralen Obelisken eine wichtige Vorbildfunktion. Borromini betreute zu dieser Zeit den Wasserleitungsbau und lieferte Innozenz X. die ersten Entwürfe für einen Vierströmebrunnen. Daraufhin lieferte Borrominis Konkurrent Gian Lorenzo Bernini, der zuvor beim Papst als Architekt in Ungnade gefallen war, ebenfalls ein Projekt für einen Vierströmebrunnen, welches künstlerisch weitaus mehr überzeugte und ihm 1648 den Auftrag einbrachte. So gelang ihm sein lang vorbereiteter Schlachtzug, was ihm die Rückkehr an den päpstlichen Hof sicherte. Die Idee der Darstellung der vier Weltströme und dem darauf gestellten Obelisken, stammt noch von Borrominis Projekt. Jedoch wollte dieser die Weltströme nur als Flachreliefs am Sockel des Obelisken repräsentieren, wobei der Sockel nur eine vermittelnde Funktion zwischen Obelisk und Wasserbecken hatte. Bernini schwebte ein Obelisk auf einer durchbrochenen „isola“ vor, welche durch männliche Naturwesen (Flussgötter) gehalten wird. Diese Flussgötter stellen die vier Flüsse Nil, Rio de la Plata, Donau und Ganges dar, die je für einen der bis zu diesem Zeitpunkt bekannten Kontinente standen. (Preimesberger 1974, S. 90) Diese sind gänzlich aus Marmor gearbeitet, während die Blumen- und Tierornamente aus Travertin (poröser Kalkstein) geschaffen sind. Der Obelisk versinnbildlicht die Idee des antiken Circus. Dieser steht nämlich in seiner architektonischen Gestalt die ganze Welt dar. Die Umlaufbahnen stehen für die Gestirnbahnen, der Obelisk für die Sonne und die Höhe des Himmels. Die vier Seiten des Obelisken stehen wie die vier Flussgötter für die vier Teile der Welt. (Voss 1910, S. 111) Die Spitze des Obelisken wird von einer Taube mit einem Ölzweig im Schnabel geschmückt, welche allgemein als Symbol für den Frieden steht und auch im Familienwappen der Pamphilj zu finden ist. Dieser Obelisk ist der erste in Rom, der nicht von einem Kreuz bekrönt ist. Borromini verwendete das Taubenmotiv schon an der Fassade des Palazzo Pamhpilj, womit ein Bezug zwischen Palazzo und Brunnen hergestellt wird. Der Brunnen fungiert nicht nur als Platzmonument, sondern drückte auch die Herrschaft des Papstes aus. (Burbaum 1999, S. 189)


5. Sant' Agnese auf der Piazza Navona
Die Vergrösserung des Wohnsitzes der Familie Pamphilj an der Piazza Navona erstreckte sich bis zur Kirche Sant’ Agnese. Die 1470 aus Gubbio nach Rom kommende Familie Pamphilj verehrte die heilige Jungfrau Agnes und deshalb wollte Innozenz X. ihr ein besonderes Denkmal errichten. Dennoch sollte die Kirche sowohl als Mausoleum für Innozenz X. und seine Familie dienen, wie auch als Familienkapelle. 1652 begann man die Kirche nach den Ideen verschiedener Architekten umzubauen. Der 1653 hinzugezogene Francesco Borromini veränderte die bestehenden Pläne und verwandelte die Fassade in eine fliessende Struktur, bei welcher konkave und konvexe Formen und fliessende Kurven dominierten. Er orientierte sich auch hier an der Idee des Zentralbaus de St. Peters. Nur vier Jahre später wurde Borromini als Architekt entlassen und an seine Stelle trat der Architekt Carlo Rainaldi. Dieser verflachte die von Borromini gewünschte organische Struktur der Fassade, wobei Borrominis Gestaltung im fliessenden Gebälk durchaus noch zu sehen ist. Geweiht wurde die Kirche aber erst 1672, einige Jahre nach dem Tod Innozenz X. (Russell 2007, S. 382)





Bibliographie
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Burbaum, Sabine, «Die Rivalität zwischen Francesco Borromini und Gianlorenzo Bernini», Oberhausen 1999, S. 178.
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Connors, Joseph, «Alliance and Enmity in Roman Baroque Urbanism», in: Römisches Jahrbuch der Bibliotheca Hertziana, 25, 1989, S. 207–294.
Eimer, Gerhard, «La Fabbrica di S. Agnese in Navona», Innsbruck 1970, S. 279
Fehrenbach, Frank, «‹Discordia concors›. Gianlorenzo Berninis ‹Fontana dei Quattro Fiumi› (1648-51) als päpstliches Friedensmonument», in: Historische Zeitschrift. Beihefte, N.F., 26, 1998, S. 715–740.
Huse, Norbert, «Gianlorenzo Berninis Vierströmebrunnen», München 1967.
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Magnuson, Torgil, Rome in the Age of Bernini, 2 Bde. Stockholm: Almqvist & Wiksell, 1982-1986.
Oeser, Hans-Christian, «Reclams Lexikon der Päpste», Stuttgart 1988, S. 299–300.
Preimesberger, Rudolf, «Obeliscus Pamphilus. Beiträge zur Vorgeschichte und Ikonographie des Vierströmebrunnens auf Piazza Navona», in: Müncher Jahrbuch der bildenden Kunst, 3. Folge, 25, 1974, S. 77–162.
Russell, Susan, «Sant' Agnese in Agone auf der Piazza Navona», in: Rom Meisterwerke der Baukunst, 2007, S. 382–388.
Voss, Hermann, «Berninis Fontänen», in: Jahrbuch der Königlich Preussischen Kunstsammlungen, 1910, S. 99-129.
Wittkower, Rudolf, «Carlo Rainaldi and the Roman Architecture of the Full Baroque», in: The Art Bulletin, 19 (2), Jun. 1937, S. 242–313.
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