Stiftskirche St.Gallen, Nordfassade Bild: tw


Stiftskriche St.Gallen, Rotunde, Nordfassade Bild: tw


Stiftskriche St.Gallen, Ostfassade Bild: tw


Attach:Südfassade.jpg Δ Stiftskriche St.Gallen, Südfassade Bild: tw


Attach:Süd.jpg Δ Stiftskriche St.Gallen, Westfassade Bild: tw


Stiftskriche St.Gallen, Grundriss Bild: aus J.Grünenfelder


Stiftskriche St.Gallen, Chor Bild: aus J.Grünenfelder


Stiftskriche St.Gallen, Rotunde Bild: aus J.Grünenfelder


Stiftskriche St.Gallen, Orgel Bild: www.panoramio.com


Stiftskriche St.Gallen, Seitenschiff Bild: www.panoramio.com

Giovanni Gaspare Bagnato und Peter Thumb Stiftskirche St.Gallen um 1750



1. Einführung
2. Baugeschichte
3. Grundriss
4. Architektur Aussen
4.1. Nordfassade
4.2. Ostfassade
4.3. Westfassade
5. Architektur Innen
6. Kunsthistorische Einordnung

1. Einführung
Die Kathedrale St.Gallen ist die Kirche des, 719 gegründeten und 1805 aufgelösten, Kloster St.Gallen, welches am Platz der Einsiedelei des hl. Gallus entstand. Im Früh- und Hochmittelalter war es eines der bedeutendsten Klöster des Abendlandes und erlebte eine zweite Blütezeit im 18. Jahrhundert. Die Kirche, welche in diversen Bauetappen entstand, ist heute ein Wahrzeichen der Stadt und kantonale Hauptkirche des Bistum St. Gallen.

2. Baugeschichte
Bereits 719 begannen die Mönche mit einer 40 Fuss hohen steinernen Kirche im heutigen Chorbereich, welche bereits eine Krypta besass. 830 – 837 musste die Kirche schon erweitert werden, da die Gemeinschaft und das Ansehen des Klosters rasch wuchsen. In diesen Jahren erhielt das Kloster den berühmten Klosterplan. Der St.Galler Klosterplan ist ein heute in der Stiftsbibliothek verwahrter Plan, vom Abt der Insel Reichenau für das Kloster St.Gallen in Auftrag gegebenes Idealkonzept eines grossen Klosters. Dieser Architekturplan stellt ein sehr bedeutendes Dokument über Architektur im frühen Mittelalter dar.
Die Darstellung entsprach der im 9 Jh. entstandenen Kirche jedoch nur bedingt. Diese bestand nämlich damals aus 3 Heiligtümer. Dem Gallusmünster, der westlich gelegenen Otmarskirche und zwischen den beiden das Helmhaus, welche im Obergeschoss die Michaelskapelle barg. Diese Anlage errichte zusammen die Ausmasse der heutigen Kirche.
Nach Zerrüttung und Brandkatastrophen wurde 1439 ein neuer Chor über den Grundmauern des Vorgängers, des Gallusmünsters errichtet. Als dann 1623 auch die Otmarskriche erneuert werden musste, nutzte man die Gelegenheit, legte auch das Helmhaus und verband die 3 Teile zu einem nach Westen verlängertem Gallusmünster. Diese Dreiteiligkeit ist noch heute in der barocken Stiftskirche zu sehen.
Anfang des 18. Jahrhundert beschäftigte man sich mit der Neubildung der Kirche als einen Repräsentativen Barockbau. Mehrere Pläne wurden eingereicht wobei schliesslich der Plan von Giovanni Gaspare Bagnato welcher den Klosterbruder Garbriel Loser zum Anfertigen eines noch vorhandenen Modells anregte. Umgesetzt wurde dann jedoch schlussendlich der Plan von Peter Thumb, welcher auch als Bauherr den Bau leitete. Der Konvent der Mönche sprach sich jedoch gegen die Zerstörung des gotischen Chors aus, an welche Thumb dann die ausladende Rotunde und das Langhaus anbaute.
1760 wurde der gotische Chor doch noch abgebrochen und durch eine elegante Doppelturmfassade ersetzt wobei die Idee vom Giovanni Gaspare Bagnato doch noch zum Tragen kam. Bauherren waren nun der Voralberger Johann Michael Beer und sein Neffe Ferdinand Beer als Polier. Bereits 1773 musste die statisch schlecht gesicherte Kuppel repariert werden. 1819 wurde die Kirche mit zahlreichen neuen Gemälden ausgestattet und 1841 wurde die Ostfassade und die Türme in den heutigen Zustand gesetzt, Skulpturen zum Teil ersetzt.
1961 wurden die Innengemälde restauriert auf den Vorlagen von 1820 und 2003 bis 2005 fand eine erneute Restauration der Fassade statt.

3. Grundriss
Der Grundriss zeigt eine längs- und quersymmetrische Anlage, die sich an der langgezogenen Nordfront erkennen lässt. Den Kern des ganzen Baues bildet ein grosser, zentraler Kuppelraum, dem sich nach Westen und Osten Langhaus und Chor als zwei identische, einander symmetrisch entsprechende Längsarme anschliessen. Hinter der Chorapsis liegen die Sakristeien, flankiert von zwei über die Fluchten der Chorwände etwas vorspringenden Türmen, die nach aussen zur mächtigen Doppelturmfassade vereinigt sind. Die beiden Längsarme zerfallen in je drei querrechteckige Joche und umfassen einen Mittelraum und zwischen eingezogenen Streben ziemlich tiefe, seitliche Raumabschnitte. Die Mittelräume schlissen im Osten und Westen mit Apsiden – genauer gesprochen im Osten mit einer segmentbogigen Ausbuchtung, im Westen dagegen mit einer Apsis, deren Bogen stark abgeflacht ist. Die Grundgestalt des von den Längsarmen eingefassten grossen Kuppelraumes bildet ein unregelmässiges Achteck, dessen Durchmesser der Gesamtbreite der Längsarme (Mittelraum und Seitenräume) entspricht. Seine beiden grössten Seiten liegen in der West-Ost-Achse. Sie stellen den Anschluss an die Mittelräume der Längsarme her und besitzen demnach genau die Breite dieser Mittelschiffe. An die übrigen, leicht konkaven Oktogonseiten sind nördlich und südlich je drei Nebenräume von der Form angeschnittener Ovale angeschlossen.

4. Architektur Aussen
Die Kirche steht heute auf einem grossen leeren Platz, welcher sie fast gänzlich umgibt. Einzig die Südfassade ist nicht sichtbar und freistehen, respektive nur das Dach bleibt unverdeckt von den ehemaligen Klostergebäuden, welche heute einen Teil der Stiftsbibliothek und Stiftsverwaltungsräume beinhalten. Was freistehende Teile betrifft, gestalten diese sich gleich wie die Westfassade. Einzig die Schaufassade des Giebels der Rotunde zeigt den thronenden Gallus, anstelle eines Wappens.

4.1 Nordfassade
Die Nordfassade ist Horizontal in zwei Geschosse gegliedert und schliesst im Osten mit einem hohen Turm, im Westen gerade ab. Beherrschend ist die Rotunde welche in der Mitte des Baus hervorspringt und den Bau in der Vertikalen durch drei teilt. Die ganze Kirche steht auf einem rundumlaufenden Sockelbereich. Die Ansicht des Turms von der Seite entspricht der Turmansicht von Osten, welcher bei der Ostfassade beschrieben ist.
Die Fassaden links und rechts der Rotunde sind grau Verputzt und werden mit je sieben Fenstern in regelmässigen Abständen gegliedert. Bei den Fenstern handelt es sich um hohe Rundbogenfenster mit Rippenprofil. Darüber erhebt sich ein Satteldach. Über das Dach verteilt finden sich kleine einfache Giebelfenster. Die Rotunde welche mit ihrem erhöhten First mutet wie ein eingeschobener Querbau an. Hier findet sich in der Mitte das Hauptportal aus riech verziertem Holz. Die Schnitzereien zeigen Pflanzenornamentik und 2 Szenen aus dem Leben Jesus. Der Türrahmen besteht aus zwei Pfeilern welche auf ihren Kapitellen einen Rundbogen tragen. Umrahmt wird das Portal von zwei dorische Säulen, welche etwas über Eck stehen, was der Portalanlage ein leicht konkaves Profil gibt und welche einen Architrav tragen. Der Architrav ist mit Triglyphen mit Guttae gegliedert, welche sich auch in der Fortsetzung der Säulen als Pfeiler auf jeder Seite finden. In der Mitte befindet sich ein Inschiftsschild mit Bandelwerkdekor. Nach einem abschliessenden Kranzgesims findet sich in der Mitte eine Brustskulptur des Erslösers mit Kreuz und Weltkugel, die Hand erhoben zur Segnung. Links und rechts von ihm befinden sich vasenartige Verzierungen aus Stein auf einem mit einer Volute geschmückten Sockel.
Über der Portalanlage findet sich ein breites Rundfenster mit Rippenprofil welches Kapitelle an den Seiten und oben eine Agraffe mit figürlicher Darstellung enthält. Zu beiden Seiten des Mittelteils gibt es zwei halbrunde Nischen welche übereinander stehen und je eine Skulptur beinhalten. Links sind es Petrus und Paulus, rechts Otmar und der hl. Gallus. Zu beiden Seiten weist die Rotunde noch zwei weitere Fenster auf, ähnlich dem in der Mitte, nur etwas höher. Ein Gesims Gesimse umrahmt die Fenster und mündet im etwas tiefer gelegenen Abschlussgesims des Querdachs. Die Rotunde hat zum Teil weiss verputzte Flächen, was sie wie ein Negativ zur sonstigen Fassade wirken lassen. Im Giebel der Rotunde tut sich eine Schaufassade auf in Form eines mit Schweifwerk geschmückten und mit Rundbogen mit Rippenprofil überspanntem Trapez. Diese Schaufassade beinhaltet das Wappen des Erbauers der Kirche, Fürstabt Cölestin II. Gugger von Staudach.

4.2 Ostfassade
Die Ostfassade Gliedert sich vertikal in zwei Türme, welch leicht konkav in ihrem Dekor sind und die sich in der Mitte leicht konvex wölbende Apsis. Horizontal ist die Hauptfassade der Kirche dreigeschossig wobei das mittlere Segment nur zwei der drei Geschosse aufweist. Die ganze Fassade besteht aus grauen Quadersteinen.
Das Mittelsegment beginnt unten mit einer Sockelzone welche nach jedem drittel einen viereckigen Sockelblock aufweisen, welche zwei Kolossalsäulen tragen. Diese Kolossalsäulen korinthischer Ordnung stehen auf weiteren eckigen Sockeln und weisen im unteren Drittel ringsum Kanneluren mit eingefügtem Feston und abschliessendem verzierten Ring aus Stuckatur und kleiner Brustskulptur auf der Vorderseite. Hinter den Säulen hebt sich ein Blendkolossalpilaster mit korinthischem Kapitell ab. In dem so entstandenen Drittel befinden sich je identische Abfolgen aus Fenstern. Zuunterst ein Rundbogenfenster mit kleinen Pilastern und Rundbogen mit Agraffen als Fensterrahmen und Dreiecksgiebelverdachung. Dieses untere Fenster besitzt einen Fensterkorb mit Goldverzierungen welche geschwungene Ovale vor einem eisernen Rhombenmuster bilden. In der Mitte findet sich ein ähnliches Fenster, jedoch mit runder Dreiecksverdachung, einem Schweifwerk unter der Sohlbank und einen mehr horizontal gegliederter, mit weniger Gold verzierter Fensterkorb. Oben befindet sich ein ovaler Okuli. Auf den Kolossalsäulen stützt sich ein reich gestuftes, mit kleinem verzierten leerem Wappenschild in der Mitte, Gesims, welches von einer weissen Ballustrade gekrönt wird. Auf dieser Fassade stehen über den Kolossalsäulen auf weiteren Sockeln die zwei Skulpturen von Mauritius und Desiderius. Eine Holztür mit Pilastern, Rundbogen, Agraffe und abschliessendem Dereicksverdachung gewähren Zugang zum Balkon. Neben der Tür befinden sich in Vorsetzung der Kolossalsäulen und an den Seiten neben den Türmen vier vorgeblendete Pilaster welche unter ihrem Kapitellbereich mit reicher Stuckatur verziert sind. Unterbrochen werden diese Pilaster mit einem Umlaufenden Gesims, welches sich, wie das Gesims unter der Balustrade auf die Türme weiter zieht. Abgeschlossen wird dieser Teil der Fassade ebenfalls von einem Gesims, über welchem sich eine geschwungene dreieckigm Frontispitz im Giebel auftut. Diese Zeigt die Himmelfahrt Mariens mit vielen Details ausgeschmückt und von zwei Puten flankiert, welche auf den Seiten des Giebels hocken. Darüber erhebt sich eine hexagonale Laterne mit dem für die Kirche charakteristischen Oberteil der Welschen Haube Welsche Haube als Dach.
Die Türme sind jeweils ein Spiegelbild ihres Gegenstücks auf der anderen Seite der Apsis. Ein Turm beginnt unten mit der Sockelzone und gestaltet sich in einem ersten Abschnitt mit vorgeblendeten Kolossalpilasterbündel über Eck der abgeschrägten Kannten und Velutenverzierungen an den oberen Enden. Diese tragen ein Gesims, welches von einem kurzen Zwischenteil gefolgt wird, welches in der Mitte ein kleines rechteckiges Fenster mit Fensterkorb beherbergt. In der Mitte zwischen den Pilasterbündeln befindet sich ein rundbogiges Blendfenster gefolgt von einem ovalen Blendokuli. Verbunden werden die beiden durch eine Dreiecksverdachung des Blendfensters und einem geschwungenen Relief. Im Blendfenster befinden sich zwei, im Blendokuli ein kleines rechteckiges Fenster mit Fensterkorb. Über dem zweiten Gesims, welches in der Mitte unter der Balustrade fortgesetzt wird, folgt ein Segment, welches in der Mitte den Türbereich des Balkons beinhaltet. Dieser ist hier im Turm schlicht gehalten und nur die Pilasterbündel über eck setzen sich fort. Nach einem weiteren Gesims erheben sich die Pilaterbündel erneut und enden schliesslich in einem korinthischen Kapitell. Zwischen den Pilasterbündeln befindet sich unten ein weiteres Blednfenster, diesmal mit kleinem, schlichtem, rechteckigem Fenster unten und Rundbogen, welcher von einer reich verzierten Agraffe und Schweifwerk an den Fenstersturz anschliesst. Anschliessend findet sich eine Uhr welche aus einem grossen, aus einem hellblauen aussen, einem schwarzen mittleren und einem roten inneren Kreis zusammensetzendem Zifferblatt besteht. Die römischen Zahlen und Zeiger der Uhr sind aus Gold und stehen leicht ab. Über der Uhr schliesst ein Gesims das Mittlere Stockwerk ab. Von diesem Gesims an ist der Turm freistehend und Fassaden wiederholen sich jeweils auf allen vier Seiten des Turms. So läuft auf dem Gesims eine weisse Balustrade rings um den Turm. Eine rote Holztür aus waagrechten Latten und zum Teil mit offenen Lamellen befindet sich in der Mitte des Glockenturms. Die Holztür ist mit Rundbogen mit Agraffe und verzierter Dreiecksverdachung geschmückt, welche sich fortsetzt in Schweifwerk und an einen Okuli mit vertikalen roten Lamellen anschliesst. Die Pilasterbündel über eck mit korinthischen Kapitellen finden auch hier ihre Wiederholung wobei das Mittlere Bündel ersetzt wird duch eine freistehende Säule korinthischer Ordnung. Auf ihnen folgt das Schlussgesims und schliesslich findet der Turm in 68 Meter Höhe seinen Abschluss in der Welschen Haube mit Laterne. Auf den Türmen ragt ein goldenes, verziertes Kreuz auf einer Kugel in die Höhe und auf der Laterne des Mittelsegments eine goldene Kugel überhöht von einem goldenen Rad mit Speichen.

4.3 Westfassade
Die Westfassade gestaltet sich eher Schlicht. Sie ist dreigeteilt durch eine hervorspringende Apsis, welche zu beiden Seiten durch einen Fassadenabschnitt mit Fenster ergänzt wird und steht auf dem umlaufenden Sockel.
Die Apsis ist wie die Fassade sonst grau verputzt und besitzt 3 schmale Fenster, mit dem an der Kirche üblichen Rippenrundbogen. Im Giebel türmt sich eine ähnliche Schaufassade wie jene der Rotunde auf, jedoch mit halbrunder Nische und Türmchen. In der mit vorgeblendeten Säulen, schmuckem Kapitell und Agraffe mit Putenkopf verzierten Nische steht eine Kopie der Immaculata. Zu beiden Seiten finden sich je ein eisernes Kreuz und darunter je ein Vierpassfenster mit eingeschriebenem Quadrat. Unter einem umlaufenden Gesims unter der Maria befindet sich ein mit Schweifwerk gerahmtes Inschriftschild welches „gratia plena“ verkündet.
Über all dem thront in der Mitte ein Türmchen mit Laterne mit einem Dach versehen wie der Oberteil der Welschen Haube. Dieser besitzt 6 Dachrinnen verziert in Form von Wasserspeiern.

5. Architektur Innen
Konsequenterweise liegt denn auch das Hauptportal in der Querachse der Kirche, auf der Nordseite der Rotunde. Wer eintritt, steht in einem hochstrebenden, weiten Kuppelraum, gegenüber einer dreiteiligen, hohen Bogenstellung und fast wandhohen, breiten Fenstern, die reichliches Licht spenden. Nach beiden Seiten öffnen sich die beiden Längsarme. Sie sind als dreijochige Wandpfeilerhallen konzipiert. Die weit einspringenden Pfeiler sind durch die bis zum Hauptgesims reichenden Bögen jedoch soweit geöffnet, dass der Eindruck der Dreischiffigkeit entsteht. Quertonnen überwölben die Seitenabschnitte, Hängekuppeln die Joche der Mittelschiffe. So klar die Raumteile gegeneinander abgesetzt sind, so wird doch versucht, sie zusammenzubinden und den Längsflüss des Raumes durch die „Pause“ der Rotunde hindurchzuführen. Ihre vier Hauptstützen rücken in der Längsrichtung so weit auseinander, dass der Mittelschiffraum unbeengt durch den Zentralbau in den gleich breiten Chor strömen kann. Die Nebenpfeiler aber, die im Gegensatz zu den übrigen nur von niedrigen Öffnungen durchbrochen werden, weichen mit ihren Stirnseiten bis fast auf die Flucht der Langhauswände zurück. Der Raum besitzt keine seitlichen Emporen. Die gerade gezogene Orgeltribüne, welche die ganze Westseite verstellt, ist eine das ursprüngliche Bild verändernde Zutat des frühen 19. Jahrhunderts. Den Kuppelraum überwölbt eine Kalotte auf einem von Pendentif getragenen Ring. Die Nebenräume der Rotunde besitzen stark gestelzte Hängekuppeln. Die architektonische Gliederung des Innenraumes erfolgt durch Pilaster und durch ein von ihnen getragenes Gebälk, das indessen nicht ringsum geführt wird, sondern auf die Wandpfeiler beschränkt bleibt. Die Köpfe der Wandpfeiler sind mit glatten Pilastern umkleidet, und zwar an ihren Stirnseiten mit einfachen, an den Flanken mit Doppelpilastern. Dementsprechend erhalten von den Bogen, die über den Pilastern aufsteigen, die Längsgurten die doppelte Breite der die Joche trennenden Quergurten. In den Winkeln zwischen Wandpfeilern und Aussenwand sitzen jeweils Pilasterecken. Die Bogenscheitel der Wandpfeilerdurchbrüche berühren das von den Pilastern getragene Gebälk, welches vollständig, mit Architrav, Fries und Kranzgesimse, bis zu Aussenwand geführt ist. Die Gewölbegurten (Gurtbogen) beschreiben nicht ganz volle Halbkreise; da sie aber auf einer niedrigen Attika aufgesetzt sind und mit dieser zusammengesehen werden, ergibt sich optisch dennoch ein halbkreisförmiger Gewölbequerschnitt. Die Gurten sind glatt und ohne jede Profilierung. Zwischen den Fenstern, in der Mitte jedes Joches, stehen Einzelpilaster, die keinerlei architektonische Funktion ausüben und nur Puttengruppen tragen. Gebälk und Wandpfeilerarkaden besitzen geradlinige, kaum kurvierte, kantige Profile. Komplizierter ist die Gliederung der Rotunde. Die Zwischenmauern, welche die seitlichen Ovalräume trennen sind eingezogene Streben. Sie sind nach hinten keilförmig verbreitert. Durchwegs hohe, schlanke Fensteröffnungen, sitzen auf Gesimsen und werden von profilierten Rahmen umgeben. Die Ovalräume der Rotunde besitzen je ein Fenster, jedes Joch besitzt auf beiden Seiten je zwei Fenster, die Westapsis drei, die westlichen Abschlusswände der seitlichen Raumabschnitte des ersten Langhausjoches je eins. Alle Fensteröffnungen sind gleich gross, nur diejenigen der Rotunde etwas breiter und höher. Erst die Ausstattung lässt den östlichen Arm der Kirche als Chorraum zu erkennen. Sie bringt mit Altären, Gestühlen und Chorgitter ein bewegt überlagerndes, barockes Element ins Innere. Der Hochaltar ist ein in die gebogene Apsiswand eingepasster, klassizistischer Säulenaufbau aus schwarzem und weissem Stuckmarmor. Hochaltar ist in der Ostapsis. Er wurde von Josef Simon 1808-1810 errichtet. Das Altarblatt Mariä Himmelfahrt stammt aus dem früheren Hochaltar und ist ein Werk von Giovanni Francesco Romanelli. (1644-45). Die konzeptionell zum Altar gehörende Apsiskalotte füllt eine gemalte Glorie von Josef Keller. Zwei schwebende Engelfiguren aus Stuck von Josef Sporer tragen den goldenen Kronreif. Sieben Nebenaltäre – zwei in den östlichen Ovalräumen der Rotunde, zwei an den Abschrägungen der Grossen Kuppelpfeiler am Choreingang, zwei an der Westseite der Wandpfeiler zwischen erstem und zweitem Chorjoch, ein kleiner Nebenaltar an die Rückwand des Bischofsthrones gelehnt. Fidelis Sporer entwarf die vier Stuckmarmoraltäre des Kuppelraumes. Die beiden Altäre an den Chorpfeilern sind Werke von Josef Anton Feuchtmayers und entstanden gleichzeitig mit dem Chorgestühl? (1763-1770). Die Orgelgehäuse über dem Gestühl sind zweiteilig, lassen die Mitte frei und steigen gegengleich zu den Pfeilern an. Die Kanzel wurde erst 1786 angefertigt. Sie ist am nordwestlichen der grossen Kuppelfeiler. Am Korb die Sitzfiguren der vier Evangelisten und Darstellungen aus den Leben von Gallus, Otmar, Notker und Eusebius, auf dem Schalldeckel bekrönende Statue des Guten Hirten von Putten umspielt. Die 16 Beichtstühle sind in die Aussenwände eingeführt. Die sind dreiteilig, im Grundriss weich nach vorne geschweift und an Türchen, Pfeilerchen und Bögen von exquisiten Schnitzereien geziert. Das in drei flachen Konkaven gebogene Chorgitter durchschneidet die Rotunde. Das Chorgitter wurde im Jahre 1769-1771 geschmiedet und verweist auf Spätbarock mit klassizistischen Zügen. Das Chorgestühl ist im mittleren Chorjoch eingefügt und von Josef Anton Feuchtmayer geschnitzt. Die drei Sitzreihen aus Nussbaumholz weichen im Mittelteil muldig zurück. Die fünf grossen in Grau und Gold gefassten Reliefs schildern Ereignisse aus dem Leben des Ordensgründers des hl. Benedikt. Der Zelebrantensitz ist zwischen dem Gestühl und dem Hochaltar im Süden angebracht. An den beiden Thronaufbauten zu Seiten des Hochaltars ist der Tod des hl. Benedikt (links) und der hl. Scholastika (rechts) dargestellt. Am Westende ist durch alle drei Schiffe eine gerade gezogene, klassische Musikempore eingespannt. Gleichzeitig mit dem Altar entstand in der Westapsis die von toskanischen Säulen gestützte, streng-klassizistische Orgelempore. Unter der Empore in der Westapsis sind zwei Altarblätter. An beiden Enden der Kirche liegen unter den erhöhten Podien des Hochaltars und der Orgelempore – als einzige sichtbare Bauelemente aus dem Mittelalter – die beiden Krypten - Ostkrypta und Westkrypta. Die Ostkrypta, die im Grund bestand bis ins 9. Jahrhundert zurückreicht, birgt das Grab des heiligen Gallus und ein Stück seines Schädels in einem modernen Reliquiar sowie die Überreste der drei letzten St.Galler Äbte. Im hintersten Teil des Langhauses, unter der Empore, liegt die ins 10. Jahrhundert zurückreichende Westkrypta mit der Gruft des heiligen Otmar und der Bischöfe von St. Gallen.

6. Kunsthistorische Einordnung
Die Vereinigung von Langraum und Zentralbau ist ein Hauptthema barocker Architektur. Sie wird in St. Gallen in klassischer Ruhe ohne erregende Steigerungen und heftige Bewegungen dargestellt. In undramatischer Geste breit und gleichwertig hingelagert, erscheint die Kathedrale in St. Gallen als Angelpunkt zwischen Rokoko und Klassizismus. Somit ist es eines der letzten grossen Sakralbauwerke barocken Charakters. Die Kathedrale St. Gallen zeugt von der Blüte der Fürstabtei im 17. und 18. Jahrhundert. Kunsthistorisch ordnet man die Kathedrale zwischen Rokoko und Klassizismus ein. Sie bildet den monumentalen Endpunkt in der langen Reihe den von Vorarlberger Baumeistern (vgl. Vorarlberger Schema) verwirklichten barocken Klosterkirchen. Als prinzipieller architektonischer Gedanke ist hier das Dominieren eines Kuppelraumes zwischen zwei symmetrischen Längsarmen – die zeitgemässeste und zugleich reifste Lösung des Barock. Es besteht für St. Gallen typische Diskrepanz zwischen dem geographischen Standort des Anlagetypus und demjenigen seiner tatsächlichen Instrumentierung. So besteht die unverwechselbare Individualität dieses Bauwerkes darin, dass die räumliche Gesamtkonzeption, das System der horizontalen Raumbeziehung also, das die Lösung des Konflikts der deutschen Barokarchitektur darstellt, sich mit einem aus älteren Stilphasen stammenden Raumaufbau verbindet. Die Kathedrale sollte man als individuelles Meisterwerk betrachten.


Bibliographie
Grünenfelder, Josef, «Kathedrale St.Gallen. Die ehemalige Benediktiner-Stiftskirche St.Gallen und Otmar» (Schweizerische Kunstführer GSK, 85/847) Bern 2009.
Poeschel, Erwin, «Die Kunstdenkmäler des Kantons St.Gallen. Die Statdt St.Gallen: zweiter Teil», das Stift, Bd. 3, Basel 1961.
Bortlin, Paul-Henry, «Die Stiftskirche St.Gallen. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Barockarchitektur», Bern 1964.
Poeschel 1961: Erwin Poeschel. Die Kunstdenkmäler des Kantons St. Gallen. Band 3. Die Stadt St. Gallen. Zweiter Teil. Das Stift. Birkhäuser Verlag, Basel 1961.
Boerlin 1964: Paul-Henry Boerlin. Die Stiftskirche St. Gallen. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Barockarchitektur. Francke Verlag, Bern 1964.
Duft 1985: Johannes Duft. Klosterbruder Gabriel Loser. Sein Anteil an den Barockbauten des Stiftes Sankt Gallen. Jan Thorbecke Verlag , Sigmaringen 1985.
Knoepfli 1971: Albert Knoepfli. Ein wölbungsplan des 15. Jahrhunderts für den spätgotischen Hallenchor der Benediktiner-Stiftskirche St. Gallen. Karl Augustin Verlag, Thayngen 1971.


Page last modified on December 16, 2012, at 04:52 PM