Skizze der Klosterkirche mit nördlichem Flügeltrakt
Flugbild mit Gesamtblick über die Klosteranlage
Franz Beer von Blaichten (* 1660 in Au (Vorarlberg) - † 1726 in Bezau)
Die mittelalterliche Klosteranlage von Nordwesten, datiert 1630, Aquarell auf Papier, Staatsarchiv Luzern
Federzeichnung von Beers Projektplan von 1722 mit dem Baubestand zur Zeit von Abt Balthasar, Bibliothek der Universität Basel (Mscr. H I 29b, Bl. 394c, Codex Walch, aus den Beständen von Grosslützel)
Hauptfassade der Kirche



























Christus vor Kaiphas
Christus vor dem Volk


Aufriss und Grundriss der Kirche



Innenansicht mit Blick auf den Hochaltar

Franz Beer von Blaichten, Klosterkirche,
St. Urban (1711-1717)



1. Lage
2. Historischer Hintergrund
3. Der Kirchenbau
4. Architektonische Beschreibung
5. Kunsthistorische Einordnung



1. Lage
St. Urban liegt in der äussersten nordwestlichen Ecke des Kantons Luzerns an einem Punkt, wo die Kantone Bern und Aargau zusammenstossen. Der Ordensgewohnheit der Zisterzienser entsprechend, ist es fern von städtischen Siedlungen und in einem fruchtbaren Tal. Der ganze Bautenkomplex erhebt sich auf einer niedrigen Hügelterasse, die gegen das Flüsschen Roth steil abfällt.

2. Historischer Hintergrund
Die Klosterkirche St. Urban gehörte zu einem, der insgesamt gegen 30 ehemaligen Zisterzienserkloster in der Schweiz. Der Orden basiert sich auf der Regula Benedicti und widmet sich vor allem der schriftstellerischen Tätigkeit und der landwirtschaftlichen Arbeit. Dank der Stifterfamilie, den Freiherren von Langenstein, und ihrer Güteranlage erfolgte im Jahr 1194 vom Mutterkloster Lützel im Elsass aus die Gründung von St. Urban. Der Name St. Urban leitet sich von einer, dem heiligen Urban geweihten Wegkapelle ab. Das Kloster unterhielt im 13. Jahrhundert neben der Landwirtschaft auch eigene Ziegelbauhütten, die nebst Ziegelsteinen und Bodenplatten auch verzierte Reliefsteine und Architekturwerkstücke herstellten. In der mittelalterlichen Blütezeit folgte die Errichtung des Klosterbaus mit Bibliothek und Klosterschule. Diese Zeit wurde aber vom Einfall der Gugler, welche 1374/75 Kloster und Kirche verwüsteten, beendet. Der Konvent gelang dann in finanzielle Schwierigkeiten. 1513 erfolgte ein Grossbrand, der erhebliche Schaden verursachte. Der kulturelle Wiederaufschwung setzte gegen Ende des 16. Jahrhunderts ein und gipfelte in der anschliessenden barocken Blütezeit im 18. Jahrhundert. Der Zusammenbruch der Aristokratie gegen Ende des 18. Jahrhunderts, die mit dem Kloster eng verbunden war, und die Niederlage der katholischen Orte im Sonderbundskrieg, führten am 13. April 1848 zur Aufhebung des Klosters. 1870 kaufte der Kanton Luzern die Klostergebäude mit zwei Höfen, um darin 1873 eine Heil- und Pflegeanstalt für Geisteskranke, Vorläuferin der heutigen psychiatrischen Klinik, zu errichten. Die Kirche wurde zur Pfarrkirche von St. Urban. 1910-11 erfolgte ihre erste Restauration sowohl im Aussen- wie auch im Innenbereich. Ab 1988 begann die Restaurierung der ehemalige Klosteranlage, im speziellen wurde die Kirche zwischen 1988 und 1992 eine nach historischen Baubestand verpflichteten Gesamtrestauration unterzogen.

4. Der Kirchenbau
Am 13. Februar 1711 wurde der Bauvertrag für die Kirche mit dem Architekt Franz Beer von Blaichten abgeschlossen. Er erhielt den Auftrag als barockes Gesamtunternehmen und war für alle Teile der Konstruktion verantwortlich. Als Bauführer nennt das Rechnungsbuch unter anderen auch Peter Thumb und Rudolph Moosbrugger. Nach nur sechsjähriger Bauzeit war die Kirche fertig und konnte am 16. Dezember 1717 zu Ehren Mariä und des hl. Urban geweiht werden. Franz Beer übernahm auch den gesamten Klosterneubau und nach seinem Tod brachte sein Sohn Johann Michael Beer die Bauarbeiten weiter. Die Vorgängerkirche aus dem Jahre 1259 lässt sich aus einer dreischiffigen Basilika mit Querhaus, rechteckigem Sanktuarium und vier Chorkapellen rekonstruieren. Im Äussern folgte sie dem zisterziensischen Schema: ungegliederte Westfassade, Dachreiter über der Vierung und allgemeine strenge Einfachheit der Strukturen und Bauformen.

4. Architektonische Beschreibung
Das Äussere
Die Hauptfassade der Klosterkirche ist eine Doppelturmfassade, bei welcher die beiden Türme neben das Hauptschiff gegen aussen verschoben sind. Beer hat sich hier wohl an den Idealentwürfen von Sebastiano Serlio (Quinto Libro d'Architettura) orientiert und mit dieser Verschiebung den Charakter der monumentalen Wirkung dieser Fassade verstärkt. Toskanische Kolossalpilaster, rundbogige Fenster und Nischen gliedern die Schaufassade. In der Mittelpartie öffnen sich drei gleichwertige, türlose Portale in eine trapezförmige Vorhalle mit konkav geschweiften Schrägwänden. Das Podest ist ebenfalls in Trapezgestalt und eine siebenstufige Treppe führt auf den Platz hinunter. Auf der Fassade in zwei Zonen sind abwechselnd Fenster und Nischen eingefügt: unten ädikulaförmig mit Dreieck- oder Segmentgiebel, oben mit geohrtem Rahmen oder schlicht. Als einziges Ornament erscheint in einer schlichten Kartusche das Wappen (das dreifache Kreuz) des Bauherrn Abt Malachias Glutz über dem mittleren Vorhallenportal. Die rahmenden und gliedernden Architekturteile tragen einen grauen Farbanstrich (Molassegestein) und heben sich kontrastreich von den weissen Putzflächen ab. Die ganze Schauwand ist flächig, nur die zentrale Mittelachse und die äusserste Turmachsen sind etwas nach vorn gezogen. Das Hauptgeschoss ist siebenachsig: die drei inneren Achsen entsprechen dem "Mittelschiff", die beiden anschliessenden den Abseiten und die beiden äussersten entfallen auf die Türme. Auf dem Fries des Gebälkes in kupfervergoldeten Buchstaben steht die Inschrift des Bauherrn: «ÆDIFICAVIT AD HONOREM DOM. REV.ᵐ⁹ ET AMP.ᵐ⁹ D.D. MALACHIAS ABBAS. A.º MDCCXV.» (Der hochwürdige und erlauchte Herr Abt Malachias hat (diese Kirche) zu Ehren des Herrn im Jahre 1715 erbaut). Das Gebälk wird von einem besonders vorkragenden Gesimse abgeschlossen und darüber befindet sich eine schmale Attika, welche entsprechend den Achsen mit Lisenen und querrechteckigen Fenstern ausgestattet und im Mittelfeld mit einem geschlossenen Segmentgiebel akzentuiert ist. Die drei Mittelachsen schliessen sich zu einem Frontispitz: das Mittelstück ist ädikulaartig mit Dreieckgiebel und enthält ein zentrales rechteckiges Fenster in Form von zwei übereinanderliegenden Rechtecken; das Giebeldreieck ist noch von einem reichen schmiedeeisernen Kreuz bekrönt. Die Schrägseiten mit runden Okuli, werden von profilierten Gesimsen gefasst, die unten in grosse, oben in winzige Voluten einrollen. Der Frontispitz ist tendenziell renaissencegemässigt. Die Türme erheben sich auf einem quadratischen unteren Geschoss, das mit Ecklisenen eingefasst ist und hochgestellte (in der Form von zwei übereinanderliegenden Rechtecken) Fenster enthält. Das nach oben abschliessende Gebälk mit auslautendem Kranzgesims trägt als umlaufender Balkon ein schmiedeeisernes aus Filigran gebildetes Rankengitter mit goldenen Kugeln an den vier Ecken (Werk des Klosterbruders Rochus Frey). Das Glockengeschoss, das heisst der Tambour ist durch Abfasung zum Achteck geformt, an den Ecken mit Lisenen eingefasst und nach oben von einem ausgebildeten Gebälk abgeschlossen. In die vier Hauptseiten sind Rundbogenfenster knapp eingepasst. Darüber auf der Innenseite befinden sich runde Okuli und auf den restlichen drei Oberflächen sind rot-schwarz und mit goldenen Zahlen bzw. Zeigern ebenfalls rund, die Uhren. Auf dem Kranzgesimse sitzt die Kuppelhaube nicht direkt sondern sie wird durch eine schmale Attika erhöht; die Kuppel entspricht dem Profil des unregelmässig achtkantigen Obergeschosses; sie ist glatt und aus roten Zinkschindeln und steigt zuerst vertikal hinauf und endet dann zitronenförmig. Der Abschluss ist in der Art eines Kerzenständers mit drei Knäufen und trägt eine Kugel mit schlichtem Kreuz. Durch ein rundbogiges Holztor im südlichen Turm gelangt man direkt in den anliegenden bzw. nördlichen Innenhof.
Die Längsfassaden? erinnern an die Gliederung der Hauptfassade durch ihre grau gemalte Scheinarchitektur, welche in den Jahren 1989-1992 rekonstruiert wurde. An den Absiden des Schiffes und in der Emporenzone sind rundbogige Fenster zu sehen, unten sind sie dagegen stichbogig. Die Chor- und Querhausgiebel sind zu Dreiecken geschlossen und noch durch Klebedächlein mit Gesimsen horizontal unterteilt; die, durch diese Trennung geformten Trapezfächen enthalten horizontalgelegte ovale Okuli, während die darüberliegenden Dreiecksflächen runde Okuli aufweisen. Am nördlichen Chorquerschiff öffnet sich gegen den Hof ein rundbogiges Portal.
Die Ausbildung der beiden Querhäuser mit Quergiebel, die Rahmung der Fenster, das Ausgreifen der Türme über die Flanken, das Auskragen der polygonalen Seitenkapellen gliedern die Längsseiten und erinnern deutlich an die Wandpfeilerbauten der Vorarlberger. Über dem zweiten Querhaus, dort wo die Verjüngung des Altarhauses eintritt, erhebt sich ein achteckiger Dachreiter, der wie die Türme mit einer roten Kuppelhaube bedeckt ist. An der Ostfassade des Altarhauses erscheint eine rundbogige Nische, in welche die Figur des hl. Ulrichs vom Frontispitz der abgebrochenen St.-Ulrichs-Kapelle platziert ist.
In der Vorhalle stehen in Wandnischen die holzgeschnitzten Figuren von Christus als Schmerzensmann und Maria als Schmerzensmutter. Das Hauptportal besteht aus einem durch Pilaster und verkröpftes Gebälk gebildeten Rahmen und einer zweiflügeligen rundbogigen Portalöffnung. Jeder Flügel enthält drei geschnitzte Füllungen aus der Zeit des Chorgestühls?: in der Mitte Szenen aus der Passion Christi (Christus vor Kaiphas und Christus vor dem Volk), unten Szenen aus dem Alten Testament (Josef traumdeutend im Kerker und die Androhung der Vernichtung der Erstgeburt von Menschen und Tieren), oben dekorative Elemente (Akanthusblätter). Über dem Portal steht noch, von Putten, Engeln und naturalistischen Elementen verziert ein blaues Medaillon mit der Inschrift: «NONEST HIC ALIUD DEI ET PORTA CŒLI. Gen 28» (Das Haus hier ist nichts anderes als das Haus Gottes und das Tor des Himmels).

Das Innere
Die Kirche folgt dem Voralbergerbauschema, das von einer Wandpfeilerhalle und seitlichen Emporen gekennzeichnet ist. Der Grundriss ist aus einem vierjöchigen Langhaus, einem dreijöchigen Chor, einem quadratischen Altarhaus und zwei Querhäuser zusammengesetzt. Mit dieser Konfiguration ist die Form eines Doppelkreuzes zu erkennen. Vom Langhaus her verjüngen sich Chor und Altarhaus sowohl in der Breite wie auch in der Höhe. Die Kirche ist 70 m lang und besitzt eine Fassade, die 35 m breit ist.
Das Raum ist longitudinal konzipiert: der Mittelraum, unter einer Halbkreistonne, bildet einen Gang, der direkt auf den Hochaltar hinzielt. Die zweimalige Verengung und die dadurch entsprechende Verschmälerung der Chorjoche verstärken optisch die Tiefenwirkung; ein typisch barockes Mittel der Augentäuschung, das den Raum länger als er in Wirklichkeit ist, erscheinen lässt. Die querschiffhafte Ausweitung der letzten Jochen von Schiff und Chor sind etwas breiter als die Restlichen. Die Wandpfeiler sind im Erdgeschoss wie auf den Emporen von rundbogigen Durchgängen unterbrochen. Die Emporen weichen gegenüber den Wandpfeilerstirnen um einen Meter zurück. Sie sind von halbkreisförmigen Quertonnen mit steigenden Stichkappen überwölbt. Die Emporen mit ihrer Brüstungen? und die Wandpfeiler bilden zusammen eine Art Koordinatensystem von Waagrechten und Senkrechten. Die Emporen des Chores sind etwas geräumiger, da die Aussenmauer in der Flucht der Schiffsmauer liegt.
Im zweiten und dritten Abseitenjoch des Langhauses sind die Aussenwände durch Altarapsidiolen erweitert. Sie sind halbkreisförmig und aussen am Scheitel leicht hintermauert und ferner erlauben sie die von Italien übernommene Queraufstellung der Nebenaltäre. Die absolute architektonische Form und das vom Stukkateur darübergezogenen Gewand bilden hier wie in Barockräumen üblich eine unteilbare Einheit. Das Struktur- und Traggerüst besteht aus korinthischen Pilastern mit saftigen Kapitellen, aus reich ausgebildeten Gebälken mit weit auslautenden Kranzgesimsen und aus Gurtbogen mit fein profilierten Randleisten. Die Pfeiler sind seitlich mit je einem Pilaster, an der Stirne im Chor mit bloss einem und im Schiff mit zwei verkleidet. Vor allem durch letztere Verdoppelung wird der Eindruck grosser Opulenz erreicht. Gegen die Aussenwand sind Pfeiler- und Pilasterecken angebracht und in den Querschiffen werden Pilaster dazwischengeschaltet. Das durch die Wandpfeiler gezogene Gebälk ist durch die Emporendurchgänge im Schiff bis ans Kranzgesimse, im Chor gänzlich aufgeschlitzt.
Das Rahmenwerk ist zurückhaltend: die variierend geformten Spiegelfelder in Haupt- und Nebentonnen sowie in den Gurten bestehen aus schlichten profilierten Leisten; die Kanten der Stichkappe des Hauptgewölbes sind abwechselnd mit gebänderten Lorbeer- und naturalistischen Blätterstäben belegt. Das Zierwerk setzt sich aus stilisierten Akanthusranken, Bandelwerk, naturalistischen Blumen und Früchten, wie auch seltenen figürlichen Darstellungen zusammen. Das Bandelwerk ist flach und abgewinkelt und bildet meist einen Rahmen zwischen reinen Akanthuspartien. Der Stuck von St. Urban vertritt die letze Phase des Louis-XIV-Ornaments knapp vor der Régence. Die naturalistischen Elemente sind vielfältig: bald sind es Zweige mit Blättern oder Blüten, bald Blumensträusse oder Früchte, frei oder in Vasen, Körben oder Hörnern. Auch das Motiv des mit Bändern aufgehängten Früchte- und Blumenbüschels sowie die derart aufgehängte Blattgirlande, seltener auch Palmwedel, kommen vor. Die Verteilung der Ornamentik auf den Gewölbeteilen und auf den Fensterumrahmungen entspricht den zeitgenössischen Gepflogenheiten. Eine Ausnahme bildet die Verzierung der Pilasterschäfte, welche das statische Gefüge auflockert. Typisch wessobrunnisch ist die Spärlichkeit figürlicher Elemente: an den vier grossen Konsolen, welche die Emporen an den Ecken des ersten Querschiffs stützen, im wuchernden Akanthuswerk stehen zwei Putten an der östlichen Seite und zweimal ein lebendiger Vogel gegen Westen, nämlich ein Adler mit beerentragendem Zweig und ein Hahn mit Palmzweig im Schnabel. Im selben Querhaus über den unteren Fenstern sind die bekränzte Büste eines bärtigen Mannes (auf der nördlichen Seite) und diejenige eines Jünglings oder einer Frau (auf der südlichen Seite) zu erkennen. Die Wappenkartusche über dem Chorgitter am Gewölbeabsatz mit heraldisch kolorierten Schilden Cîteaux-Glutz-St. Urban ist von Putten flankiert. Im mittleren Gewölbespiegel des Mönchschors? befinden sich das horizontal liegende blaue Zifferblatt und am Gewölbeabsatz des Altarhauses eine ebenfalls blaufarbige mit Akanthusranken gerahmte Kartusche mit der Inschrift «UNI TRINOQUE DOMINO 1714» (Dem einen dreifaltigen Herrn).
An der vorkragenden Orgelempore, über der Kirchentüre, die mit zwei blauen korintischen Säulen und mit einem geschweiften rötlichen Giebelaufsatz umschlossen wird, ist noch ein Stuckrelief mit der Inszenierung der Vertreibung der Tempelschänder durch Christus dargestellt. Unten auf einem ovalen hochgestellten bläulichen Stuckmedaillon steht die Inschrift «DOMUS MEA DOMUS ORATIONIS EST» (Mein Haus ist ein Haus des Gebets).
Das ins Konvent führende Portal im rechten vordersten Querhausarm ist von zwei schwarzen Stuckmarmorsäulen und einem flachen Gesims umrahmt, über denen ein Sarkophag, welcher mit den Figuren Hoffnung und Glaube flankiert ist, liegt. Im weiteren gibt es das mit einem Medaillon und Wappenschild bekrönte Epitaph, welches Abt Malachits Glutz 1716 im Gedanken an die in der mittelalterlichen Kirche begrabenen Äbte, Stifter und Wohltäter stiftete.
Der Hochaltar von 1662 stammt aus der Vorgängerkirche, er wurde 1715 umgebaut und neu gefasst und in der neuen Kirche wieder errichtet. Trotz der Zugaben von einer Predella und die bekrönende Gloriole behielt der Hochaltar seinen Charakter als flaches Säuleretabel in einer für die Übergangszeit zwischen Spätrenaissence und Frühbarock typischen, stark plastischen und üppigen Gestaltung von fassadenhafter Wirkung. Der ältere Bestand besteht aus einem Altarblatt, einer Darstellung des hl. Bernhards von Clairveaux, den in seitlichen Figurennischen stehenden und von gewundenen Säulen flankierten Figuren der Hl. Urban und Ulrich, einer Ädikula mit den Figuren des hl. Johannes des Täufers und des hl. Benedikt und dem Oberblatt mit einer Darstellung Gottvaters mit der Weltkugel. Die Predella setzt sich aus Muschelnischen mit den Figuren der vier Evangelisten zusammen. Im Querhaus des Chors stehen zwei seitliche Altäre in der Form einfacherer Säulenretabel: links der St.-Ursula-Altar auf dem in Bronze gegossen die Figur des Christus als Erlöser aufgestellt ist. Während rechts der St.-Urban-Altar mit den Figuren der Anna selbdritt (Anna mit Maria und Jesus) und des hl. Joachim steht. Seitlich des Chorgitters sind auch zwei Bildretabel zu sehen: links der Kreuz-Altar mit einer Darstellung der Kreuzigung Christi und rechts der St.Ulrich-Altar mit der Darstellung der Segnung von Gläubigen. Die Altäre im Querschiff und in den Seitenkapellen des Langhauses sind barock und kommen in der Form eines zweigeschossigen Säulenretabels über geraden oder geschweiften Mensen vor. Links im Querhaus steht der Rosenkranz-Altar, rechts der St.-Anna-Altar, beiden haben ein älteres Altarblatt.
Die aus Holz gearbeitete, weiss gefasste und vergoldete Kanzel ist in den üppigen Formen des Rokoko gestaltet. Der geformte Kanzelkorb trägt das Wappen des Stifters Abt Augustin Müller und ist mit Rocaillen, Blattwerk und Girlanden verziert. An der Rückwand stehen kunstvolle Drapier und ein Relief, das den hl. Johannes den Täufer darstellt; auf dem Schalldeckel thront der hl. Augustinus, umgeben von einer bewegten Schar nackter Putten und Engel.
Die 1716-1721 vom Orgelbauer Josef Bossard erbaute Orgel ist ein Kunstwerk von internationalem Rang. Neben der technischen Qualität des Instruments ist die architektonisch visuelle Anordnung von Bedeutung: der Orgelprospekt erstreckt sich über die ganze Breite des Mittelschiffs und umspielt die beiden gerundeten Fensteröffnungen. Der Mittelteil gipfelt in einem Frontispitz, welches das mit Pfeifen gefüllte dreiarmige Kreuz des heraldischen Familenwappens trägt. Die seitlichen Türme werden von Atlanten im Gewande des Herkules getragen; auf seitlichen mit geschweiften Kuppeln überdachten Türmen befinden sich musizierende Engel, im Mittelteil die Figur von König David mit Harfe. Auf der Decke darüber steht auf einem Band geschrieben: «LAVDATE EUM IN SONO TVBÆ IN PSALTERIO IN CITHARA ET IN ORGANO Ps. 150» (Lobet den Herrn mit dem Klang der Trompete, des Psalters, der Cetra und der Orgel Psalm 150).
Das Chorgitter ist eine Arbeit des Klosterbruders Rochus Frey, stilistisch ist es ein bedeutendes Beispiel perspektivischer Gitterkunst. Das zweiflüglige Portal zeigt die perspektivische Darstellung eines gewölbten Ganges mit zentralem Fluchtpunkt; die seitlichen Felder und die Bekrönung bestehen aus Spiralranken. Diese bilden auch den Hintergrund für die farbig gefasste Kreuzigungsgruppe. Das Gitter ist seitlich von schräggestellten Nischen aus Stuckmarmor flankiert. Sie bilden die Kulisse für das Chorgestühl und stellen mit barocken Figuren die Verkündigungsgruppe dar.
Das Chorgestühl wurde 1853 verkauft, gelangte dann nach Schottland, von wo es wiederum 1911 durch die Gottfried-Keller-Stiftung zurückerworben wurde. Das Chorgestühl wurde unter der Leitung des Bildhauers Johann Peter Fröhlicher um 1700-1707 errichtet. Wegen der künstlerischen Qualität der Bildhauerarbeit und dem reichen ikonographischen Programm gehört das Gestühl von St. Urban zu einem der bedeutendsten Chorgestühle des Barocks. Ausschlaggebend hierfür dürfte unter anderem die Anlehnung an den höfischen Stil und die flämische Plastik sein. Das 13 m lange Chorgestühl ist symmetrisch angelegt und umfasst eine hintere Reihe mit sechszehn und eine vordere mit zehn Sitzen. Die Rückwand ist mit Säulen gegliedert, deren Basen, Schäfte und Kapitelle, die sich an manieristische Spätrenaissenceformen anlehnen, in freier Form und aus figürlichen und plangezeichneten Elementen geschnitzt worden sind. Die Figuren entstammen überwiegend dem antik-heidnischen Formenschatz und verschmelzen sich mit christlichen Elementen. Die Flächen zwischen den Säulen tragen in drei Zonen unterschiedlich grosse Relieftafeln. Die unterste Bildzone schildert Themen aus dem Alten Testament, die mittlere Szenen aus dem Neuen Testament und die oberste Reihe vor allem Gleichnisse und Begebenheiten aus der Lehrtätigkeit von Christus. Über dem Gebälk erhebt sich eine reiche Bekrönung von vollplastischen Figuren, Wappentafeln und durchbrochenem Zierwerk; aufgereiht neben Maria (links) und Christus (rechts) sind noch die zwölf Apostel zu erkennen. Von hoher künstlerischen Qualität ist auch die vorhandene Ornamentik: Akanthusdekor mit Girlanden und naturalistischen Zweigen, antikisierendes Blattrankenwerk mit Vögeln und Härmen sowie menschliche und tierische Köpfe. Das rechte Chorgestühls entspricht der Epistelseite, während links die Evangelienseite zu finden ist.
Die feingliedrige, dem französischen Schema entsprechende Verglasung der Kirche besteht aus achteckigen Scheiben, zwischen denen kleine, auf der Spitze stehende quadratische Scheibchen eingesetzt sind. Die Farbe von Wänden, Gewölben und sämtlichen Stuckaturen ist ein reines kalkiges, kühles Weiss, der Boden hingegen aus gräulichen Sandsteinfliesen.

5. Kunsthistorische Einordnung
St. Urban ist einer der bedeutendsten barocken Klosteranlage der Schweiz, deren Kirche die vollkommenste Ausformung des rein longitudinalen Vorarlberger Schemas darstellt. Das Bausystem ist das der deutschen Barockhallenkirche mit eingespannten Emporen. Die Seitenschiffe nach der Art von spätgotischen Hallenkirchen, die fast so hoch wie das Mittelschiff geführt sind, verbinden sich hier stilistisch mit den italienische Bauformen des Spätrenaissence -und Barockstils. Querschiffartige Erweiterungen sind vorhanden aber ohne Erhöhung der Vierung und ohne Kuppel. Die Stuckaturen sind in der Art der Wessobrunnerschule, bloss weiss ohne Deckengemälde; stilistisch bezeugen sie den Übergang von Barock zu den Formen des französischen Régencestils. Die innere Ausstattung mit Orgel, Kanzel und Altären zog sich bis 1750 hin, an diesen Werken vollzieht sich auch der Stilwandel vom Barock zu Rokoko. Das Chorgestühl zeigt einen sehr vornehmen Barock und ist ein wertvolles Glied in der kunsthistorischen Entwicklung der Schweizer Holzarchitektur. In der Gesamtkonzeption wird St. Urban durch die drei Jahre zuvor (1708) von Franz Beer entworfene Prämostratenkirche in Bellelay vorbereitet. Hier besteht der einzige grundlegende Unterschied darin, dass in Bellelay das letzte Chorjoch nicht wie in St. Urban zu einem zweiten Querschiff ausgeweitet worden ist.

Bibliographie
-Reinle, Adolf «Das Amt Willisau mit St. Urban», Basel : Birkhäuser, 1959 (Die Kunstdenkmäler des Kantons Luzern ; Bd. 5), (Die Kunstdenkmäler der Schweiz ; Bd. 42)
-Meyer, André «Das ehemalige Zisterzienserkloster St. Urban», Bern : Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, 1994 (Schweizerische Kunstführer ; Serie 55, Nr. 545/546)
-«Sankt Urban 1194-1994 : ein ehemaliges Zisterzienserkloster» / hrsg. im Auftrag des Regierungsrates des Kantons Luzern ; Texte: P. Alberich Martin Altermatt, Karl Grunder ... <et al.> ; Red.: Alois Häfliger ...<et al.>, Bern : Benteli, 1994
-Goll, Jürg, «St. Urban : Baugeschichte und Baugestalt des mittelalterlichen Klosters», Luzern : Kantonaler Lehrmittelverlag, 1994, (Archäologische Schriften Luzern ; 4)
-Schweizerische Bauzeitung «Die Kirche und das Chorgestühl von St. Urban», von Dr. H. Meyer-Rahn
-Die Klosterkirche St. Urban als 360 Grad Panoramafotografie

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