During the 1950s and early 1960s, the reception of science fiction often focused on pedagogic issues and the question of how accurate writers depicted scientific knowledge. However, as the following short book review from the People’s Daily from 1958 shows, many of the reported scientific achievements of the Maoist era, to which science fiction novels were often compared, were themselves more fiction than fact, more political fantasy than scientific reality. The experiments with pig breeding referred to in the article and Chi Shuchang’s story “Elephants without Trunks” predate the Great Leap Forward, but they achieved wide circulation during this period, because they captured the utopian aspirations of the Maoist industrial and agricultural reforms. Chi Shuchang’s short story and other works of this period are today often exoticized as examples of how far “ideology” can lead humanity astray. But whilst people at the time were certainly encouraged to believe in the promises of Maoism as well as the accuracy of the “predictions” made by science fiction, Guan Yu’s article inadvertently also helps us understand why science fiction remained up until the late 1980s a marginal genre on China’s literary map: when the techno-utopian fantasies failed to materialize, reading science fiction became less a lesson in science than a lesson in the many ways fictionality plays a role beyond literature.
Eine Buchempfehlung für Kinder und Jugendliche:
Zwei wissenschaftlich-phantastische Erzählungen[1]
Autor: Guan Yu 关雨[2]
Veröffentlicht in: Chinesische Volkszeitung (Renmin ribao 人民日报), 30.05.1958
Eine wichtige Aufgabe der wissenschaftlich-phantastischen Literatur für Kinder ist es, die Kinder bereits von klein auf zu kühnem Denken und fleissigem Lernen zu inspirieren. In China findet die wissenschaftlich-phantastische Erzählungen erst seit wenigen Jahren Beachtung. Der Chinesische Verlag für Kinder- und Jugendliteratur (Zhongguo shaonian ertong chubanshe 中国少年儿童出版社) hat nun die wissenschaftlich-phantastischen Geschichten „Die Elefanten mit den abgeschnittenen Rüsseln“[3] und „Der verschwundene grosse Bruder“[4] herausgebracht. Die Publikation hat den Anspruch, das materielle und kulturelle Leben der Menschheit zu bereichern sowie die industrielle und landwirtschaftliche Produktion anzukurbeln. [Beide Geschichten] sind äusserst inspirierend und äusserst relevant.
Der Inhalt von „Der verschwundene grosse Bruder“ ist folgender: Zhang Chunhua vermisst seinen grossen Bruder seit fünfzehn Jahren. Eines Tages erhält er einen unerwarteten Anruf vom Amt für öffentliche Sicherheit und wird aufgefordert, vorbeizukommen, weil ein Kind mit dem Namen Zhang Jianhua gefunden wurde. Bei diesem Kind handelt es sich um seinen seit fünfzehn Jahren vermissten grossen Bruder. Es war nämlich so: Zhang Jianhua war vor fünfzehn Jahren in eine Schockgefrierkammer für die Konservierung von Fischen gefallen. Erst als Doktor Wang vom zweiten Kreiskrankenhaus einen speziellen chirurgischen Eingriff anwandte, konnte er Zhang Jianhua wiederbeleben. Und so kam es, dass der grosse Bruder nun fünfzehn Jahre jünger war als sein kleiner Bruder. In diesem Text spielt der Autor mit einem ausgefallen Gedanken in der Wissenschaft: Ein Lebewesen kann am Leben erhalten werden, nachdem es eingefroren wurde.
Der Inhalt von „Die Elefanten mit den abgeschnittenen Rüsseln“ ist folgender: Ein Reporter besucht in einem ehemaligen Wüstengebiet die neue Stadt „Grünes Juwel“.[5] Dort schliesst er sich spontan einer Gruppe vorbeieilender Menschen an, die sich den „Umzug der Elefanten“ ansehen wollen. Überrascht stellt er fest, dass alle Elefanten keine Rüssel haben. Warum hat man den Elefanten die Rüssel abgeschnitten? Darauf lädt ihn der Experte des staatlichen Landwirtschaftsbetriebes zu einer Besichtigung ein. Es stellt sich heraus, dass die rüssellosen Elefanten in Wahrheit Schweine sind und dass sie „Wunder Nr. 72“ genannt werden. Diese Schweine wurden gezüchtet, indem ihre Hirnanhangdrüse in einem speziellen Verfahren stimuliert wurde. Auch dieser Text handelt von einer ungewöhnlichen, wissenschaftlichen Idee: Ein neu entwickeltes Verfahren wird eingesetzt, um Schweine zu züchten, die so gross wie Elefanten sind.
Als ich 1956 zum ersten Mal „Die Elefanten mit den abgeschnittenen Rüsseln“ in der vierten Ausgabe des Schüler-Magazins Zhongxuesheng 中学生gedruckt sah, stand im Kommentar des Herausgebers, dass Schweine in der Zukunft tatsächlich grösser werden dürften, obwohl dabei wohl nicht die gleiche Methode wie jene in der Geschichte zum Einsatz kommen werde. Damals dachte ich mir: „Es ist nicht gerade angemessen, dass der Herausgeber dies schreibt.“ Gleichzeitig schien mir „Der vermisste grosse Bruder“ auch sehr seltsam, weil die Protagonisten und Ereignisse so lebensecht beschrieben sind.
Erst als die Menschen einen Satelliten in den Himmel schickten und damit eine ehemals nur in Beiheften erscheinende wissenschaftliche Phantasie zur wichtigsten Schlagzeile in den Nachrichten wurde, wurde mir bewusst, dass ich meine konservative Denkweise ändern sollte.[6] Ein Dichter sagte einst: „Erst wenn man an die Kraft des Volkes glaubt, kann es eine Vision geben (幻想), aber die Kraft des Volkes übersteigt die Kraft der Vorstellung (幻想) um ein hundertfaches!“[7] Diese Ansicht ist absolut korrekt. So hat ein junger Tierarzt der landwirtschaftlichen Kommune Wuxing des Dorfes Mingcheng in der Präfektur Panshi der Provinz Jilin Kuhmilch in die Schilddrüse von Schweinen injiziert, sobald diese 60 jin 近 (30 kg) wogen. Er verwendete Kuhmilch, um den Stoffwechsel der Schilddrüse zu hemmen und so konnten die Tiere schnell an Gewicht gewinnen. Das Resultat des vierten Experiments ergab, dass ein Schwein pro Tag ungefähr 2.48 jin (1.24 kg) zulegte.[8] Auch wenn sie noch nicht so gross wurden wie Elefanten, so zeigt dies dennoch auf, dass in der wissenschaftlichen Phantasie von „Die Elefanten mit den abgeschnittenen Rüsseln“ ein Stück Realität steckt.
Die Menschheit befindet sich heute in der Vorbereitungsphase für die Erkundung anderer Planeten und damit ist die Wahrscheinlichkeit sehr gross, dass wissenschaftlich-phantastische Erzählungen Realität werden. Jetzt glaube ich auch nicht mehr, dass „Der verschwundene grosse Bruder“ allzu merkwürdig ist. Erst vor ein paar Tagen habe ich in einem Zeitungsbericht gelesen, dass ein Arzt der chinesischen Medizin einen Hundebeinknochen mit einem Weidenstock ersetzt hat. Nach einigen Tagen konnte die Weidenrute nicht mehr von einem Knochen unterschieden werden. Dies ist eine Errungenschaft der chinesischen Medizin, die sich das Erbe unserer Vorfahren zunutze macht. Ist dies nicht noch viel erstaunlicher als „Der verschwundene grosse Bruder“?
Aus ästhetischer Sicht eignen sich „Der verschwundene grosse Bruder“ und „Die Elefanten mit den abgeschnittenen Rüsseln“ gut als Lesematerial für Kinder: Die Geschichten sind originell und interessant. Sie ziehen die Aufmerksamkeit der Leser auf sich und man möchte sie in einem Zug durchlesen. Die Worte und Dialoge sind lebhaft, besonders in „Der verlorene grosse Bruder,“ wo die Beschreibungen einfühlsam und bewegend wirken. Der Autor schreibt oft über die Gefühle und den inneren Gemütszustand der Protagonisten, was in anderen, wissenschaftlich-phantastischen Erzählungen zumeist vernachlässigt wird.
Lasst uns doch den Kindern die wissenschaftlich-phantastische Literatur noch stärker ans Herz legen! Ich hoffe, dass die Kinder so von klein auf befreit denken lernen, eine Liebe zu Innovation und Kreation entwickeln und in diesem grossartigen Zeitalter noch mehr erreichen als ihre Vorgänger.
[1] Der chinesische Begriff des kexue huanxiang xiaoshuo 科学幻想小说ist an den russischen Begriff der nauchnaia fantastika angelehnt und löste in den 1950er Jahren kexue xiaoshuo 科学小说als Bezeichnung für science fiction ab. Siehe: Qian Jiang, “Translation and the Development of Science Fiction in Twentieth-Century China,” Science Fiction Studies 40, no. 1 (2013): 116–32. In der DDR wurde nauchnaia fantastika manchmal als “wissenschaftlich-phantastische Literatur” übersetzt. Siehe: Sonja Fritzsche, Science Fiction Literature in East Germany (Peter Lang, 2006), 107.
[2] In der digitalen Datenbank der Renmin ribao finden sich keine weiteren Einträge zum Autoren Guan Yu. Bei dem Namen handelt es sich mit grösster Wahrscheinlichkeit um ein Pseudonym.
[3] Der Originaltitel lautet Gediao bizi de daxiang 割掉鼻子的大象. Der Text stammt aus der Feder des Autoren Chi Shuchang 迟叔昌 (1922 – 1997) und wurde mit der Hilfe von Ye Zhishan 叶至善 (1918 – 2006) 1956 veröffentlicht.
[4] Der chinesische Originaltitel für dieses Werk ist Shizong de gege 失踪的哥哥 und wurde vom Autor und Herausgeber Ye Zhishan verfasst und 1956 unter seinem Pseudonym Yuzhi 于止 veröffentlicht. Siehe: Ye Yonglie 叶永烈, “Ye Zhishan he ‘Shizong de gege’ 叶至善和《失踪的哥哥》 [Ye Zhishan und ‘Der Verschwundene Grosse Bruder’],” Zhongguo minzhu cujinhui 中国民主促进会, September 10, 2018, http://www.mj.org.cn/zsjs/content/2018-09/10/content_300562.htm.
[5] Im Originaltext heisst die Stadt nicht „Grünes Juwel“ (Lü baoshi 绿宝石) sondern „Grüne Hoffnung“ (Lüse de xiwang 绿色的希望). Siehe: Chi Shuchang 迟叔昌, “Gediao bizi de daxiang 割掉鼻子的大象 [Elefanten mit Abgeschnittenen Rüsseln],“ In: Chen Mo (Hrsg.). Zhongguo xin wenyi daxi 1949-1966: Ertong wenxue ji, (Beijing: Wenlian chuban gongsi, 1987): 90.
[6] Der Start der Sputnik 1 fand am 7. Oktober 1957 statt.
[7] Guan Yu verwendet wieder den Begriff huanxiang, der hier im Zusammenhang mit dem Genrebegriff kexue huanxiang zu verstehen ist, aber es ist nicht klar, welchen Autor er zitiert.
[8] Guan Yu bezieht sich hier auf einen kurzen Bericht verfasst von Wu Zhangyou 吴长有 in der Renmin ribao vom 4. Oktober 1957, in dem berichtet wird, dass der Veterinär Wang Deshan 王德山 eine neue Methode gefunden hat, Schweine zu züchten. Siehe: Wu Zhangyou 吴长有, “Feiyu Shengzhu de Xin Fangfa 肥育生猪的新方法 [Neue Methode der Schweinezucht],” Renmin Ribao 人民日报, 4. Oktober, 1957.