- Der Laptopdeckel
- Über Konstantin
- Die Sticker
- Lifestyle und Freizeit
- Politische Positionierung
- Werbung
- Humor
Der Laptopdeckel
Wenn man Konstantins Laptop einer oberflächlichen Untersuchung ohne Vorwissen unterzieht, könnte man wohl unschwer auf die Idee kommen, dass dieser Laptop wahrscheinlich einem jungen Mann gehört. Natürlich kann man sich über das Geschlecht der Besitzer:in nicht wirklich sicher sein, jedoch fehlen in diesem Beispiel Sticker, die auf das weibliche Geschlecht schliessen lassen. Auch die Farbpalette bringt eher Männlichkeit zum Ausdruck. Einzig mit dem Sticker der Badener Tanzschule wird eher Weiblichkeit assoziiert, was im Gesamtbild fremd anmutet.
Auf den ersten Blick wird zudem ebenfalls klar, dass die Besitzer:in politisch links eingestellt ist. Es wird auf politische Themen hingewiesen, die auch eher bei jungen Menschen breit diskutiert werden. Auffällig ist zudem auch, dass das Gesicht von Altbundesrat Christoph Blocher offenbar absichtlich überklebt worden ist.
Generell muss man sagen, dass die Sticker-Platzierung offensichtlich keinem genauen Muster folgt. Ein Plan ist nicht wirklich zu erkennen. Die Anordnung scheint auch relativ zufällig zu sein. Sticker wurden in spontanen Situationen einfach dort aufgeklebt, wo es gerade noch am besten Platz hatte. Die einzige Ausnahme ist meiner Meinung nach, wie bereits erwähnt, die Überklebung vom Blocher-Portrait.
Über Konstantin
Konstantin ist ein 24-jähriger Student der Universität Zürich. Er wuchs in Mainz auf und zog fürs Studium in die Schweiz. Um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, arbeitet er mehrmals pro Woche am Empfang einer Kletterhalle in Baden. Das Klettern als Hobby spielt auch ausserhalb seines Jobs ein grosse Rolle in seinem Leben. Seit Konstantin in der Schweiz lebt, wohnt er in WGs. Momentan in Wettingen. Eine frühere Mitbewohnerin war damals auch der Auslöser, weshalb Konstantin angefangen hat, seinen Laptop zu bestickern. Um ihr zu zeigen, dass er ihre Kunst toll findet, klebte er sich einen von ihr designten Sticker in die obere Ecke seines Laptops. Seither ist die Sticker-Sammlung stetig durch spontane Entscheidungen weitergewachsen. Wenn er sich aber dann einmal einen neuen Laptop zulegen wird, hat Konstantin nicht vor, ihn gleich von Anfang an wieder mit Stickern zu bekleben. Ausschliessen würde er es allerdings auch nicht, da es ihm gefällt, Menschen mit dem Aufkleben eines ihrer Sticker eine Freude zu machen.
Lustigerweise sind die Sticker an Konstantins Laptop auch der Grund, weshalb ich ihn überhaupt kennengelernt habe. Die Kletterhalle, in der Konstantin arbeitet, kenne ich nämlich sehr gut. Vor allem mit einem der beiden Gründer der Halle bin ich schon seit dem Kindergarten befreundet. Auch habe ich persönlich beim Umbau und der Promotion der Halle vor der Eröffnung mitgeholfen. Ich kam daher nicht umher, Konstantin auf die Bouba-Sticker an seinem Laptop anzusprechen. So kamen wir beide sehr schnell ins Gespräch und merkten, dass wir einen ziemlich grossen Freundes- und Bekanntenkreis teilen. So ergab es sich, dass wir am Wochenende manchmal sogar zusammen mit anderen gemeinsamen Freunden etwas unternehmen. Auch heute begegnen wir uns regelmässig an der Universität oder in der Kletterhalle.
Die Sticker
Dieser Sticker stellt einen Papierflieger, der über einem Mond kreist, dar. Soweit bekannt, verbirgt sich hinter dem Design keine tiefere Bedeutung. Ursprünglich entstand der Sticker durch ein Kunstprojekt einer ehemaligen Mitbewohnerin von Konstantin. Diese empfand das Design aber als nicht sehr gelungen. Der Sticker wurde aufgeklebt, um der Künstlerin zu zeigen, dass ihre Kunst Wertschätzung verdient.
„Buffy.ch“ war eine Internetseite, die von einem Freund von Konstantin erstellt und betrieben würde. Mittlerweile existiert die Seite nicht mehr.
Die Werbung auf dem Sticker ist ironisch gemeint, da „Buffy.ch“ eine Seite war, die darauf ausgelegt war, den User wütend zu machen. Sie war absichtlich unübersichtlich gestaltet, es ging immer ein anderer Link auf als der, den man angeklickt hat, usw.
Man sieht dem Sticker auch an, dass das Design nicht professionell gemacht ist.
Dieser Sticker lag zufällig im Auto einer Kollegin von Konstantin herum. Dieser fand die Aussage lustig, da man sie auf ganz viele verschiedene Dinge anwenden kann. Er bezieht sich nicht auf etwas Bestimmtes, sondern ist je nach Situation unterschiedlich anwendbar. Die Aussage ist aber besonders häufig als Witz gemeint.
In Wirklichkeit steckt hinter „NIEMERT WÖT DAS“ ein Mensch namens Niemer. Vor 9 Jahren sah Niemer diesen Schriftzug an einer vollgespayten Wand in Basel. Niemer entschloss sich, Sticker von diesem Schriftzug herzustellen. Diese verbreiteten sich daraufhin wie ein Lauffeuer. Mittlerweile betreibt Niemer sogar Instagram-Kanäle über Sticker und organisiert Stickerconventions.
Bei diesem Sticker handelt es sich um ein politisches Statement bezüglich dem Thema des Genderns. Es soll aussagen, dass man in der alltäglichen Sprache bewusst darauf achten soll, dass man wenn möglich richtig gendert. Eine gedachte Inklusion reicht nicht. Sprache befindet sich in stetigem Wandel und ist ein essentieller Bestandteil des sozialen Miteinanderlebens. Durch Sprache werden auch viele Ungleichheiten und Machtstrukturen ausgedrückt. Das Gendern versucht, einigen dieser Ungleichheiten entgegenzuwirken.
Dies ist das Logo einer kleinen Biermarke aus Schlieren, die einige Zeit lang bei Konstantins Arbeitgeber ausgeschenkt wurde. Der Bierhersteller hat bei Anlieferung des Bieres auch immer gleich ein paar Sticker dort rumliegen lassen. Auch diesen Sticker hat Konstantin einfach spontan aufgeklebt. Irgendwie gefiel ihm das Design und das Bier soll auch gar nicht mal schlecht sein.
Mellow ist eine Gruppe von Kletterern, die Videos auf Social Media wie YouTube und Instagram veröffentlichen. Sie drehen auch kleinere Filme oder Dokumentationen über den Klettersport. Zusätzlich verkaufen sie auch noch Merchandising-Klamotten. Die Kleidermarke ist in der Kletterszene sehr beliebt. Ausserdem verfügt Kleidung von Mellow auch über relativ viel Seltenheitswert, da die Stücke immer gleich bereits nach zehn Minuten ausverkauft sind. Mellow schafft durch künstliche Verknappung einen Hype um ihre Marke.
An den Kleber gelangte Konstantin durch den Kauf eines Hoodies im Online Store des Herstellers. Die Sticker wurden kostenlos mitgeliefert.
Der hintere Sticker entstand im Zuge der 99%-Initiative. Konstantins damalige Mitbewohnerin war selber sehr politisch aktiv und hatte solche Sticker einfach in der Wohnung rumliegen. Die politische Message des Stickers ist eine, mit der sich Konstantin identifizieren kann. Er sieht sich selber als ganz klar links eingestellt.
Beim Bild handelt es sich um ein Portrait von Altbundesrat Christoph Blocher. Blocher ist wahrscheinlich der bekannteste Schweizer Politiker. Durch seine starken Meinungen, sein einzigartiges Auftreten und Können, und seine Kontroversen, wurde er zu einer Idol- bzw. Hassfigur der jeweiligen politischen Lager.
Das hier ist ein Werbesticker für eine Vertikaltuch-Schule in Baden. Eine ehemalige Mitarbeiterin von Konstantin leitet dieses Atelier. Als sie gesehen hat, dass er Sticker auf seinem Laptop hat, hat sie ihn darum gebeten, ihren Sticker ebenfalls aufzukleben. Er tat ihr den Gefallen. Im Gegensatz zu allen andern Stickern hat bei diesem hier der Laptopbesitzer jedoch nicht wirklich eine persönliche Bindung zum Unternehmen. Er war auch noch nie selber dort vor Ort.
Hier sieht man drei Bouba-Sticker. Bouba steht für Boulder Baden. Das ist der Name der Kletterhalle, in der Konstantin arbeitet. Allein durch den Fakt, dass Konstantin gleich drei Bouba-Sticker auf seinem Laptop vertreten hat, kann man bereits erahnen, dass ihm sein Nebenjob in der Kletterhalle sehr gefällt. Und genau so ist es auch.
Zwei der drei Sticker wurden sogar manuell bearbeitet. Beim senkrechten Schriftzug links handelt es sich um einen ehemals weissen Sticker, bei dem die einzelnen Buchstaben ausgeschnitten und neu angeordnet wurden. Auch beim oberen Sticker wurde eine kleine Modifizierung vorgenommen: Beim „BADEN“ auf weissem Grund handelt es sich nämlich ebenfalls um einen Teil des zerschnittenen Stickers.
Lifestyle und Freizeit
Die Sticker sagen einiges über die Freizeitaktivitäten seines Besitzers aus. Wer entweder Bouba oder Mellow kennt, erfährt anhand des Laptops, dass der Besitzer in seiner Freizeit gerne klettert. Wieso sollte man sonst solche Sticker aufkleben?
Der Biermarken-Sticker lässt zudem auch erahnen, dass die Person, der dieser Laptop gehört, auch gerne mal ein Bier unter Freund:innen trinken geht.
Auch den Sticker vom Atelier „Tanz der Lüfte“ könnte ein neutraler Betrachter als Freizeitbeschäftigung des Besitzers interpretieren.
Ich finde die Halle geil. Ich finde die Leute geil.
Konstantin, 21.03.2023
Politische Positionierung
Anhand der Laptop-Sticker ist die politische Orientierung des Besitzers relativ leicht zu erkennen. Besonders der 99%-Initiative-Sticker lässt sich sofort dem linken politischen Spektrum zuordnen. Aber auch der *innen-Sticker behandelt eine eher links geprägte Thematik.
Der Laptop-Besitzer sagt auch ganz klar, dass er sich niemals einen politisch rechts geprägten Sticker auf seinen Laptop kleben würde. Das Aufkleben von politischen Stickern ist eine einfache Möglichkeit, in der Öffentlichkeit ohne Worte politisch Stellung zu beziehen. Sticker machen das Ausfindigmachen und Ausfindiggemachtwerden durch gleichgesinnte Personen möglich. Durch das Interview mit dem Besitzer wurde zudem auch sehr schnell klar, dass sein Freundeskreis fast ausschliesslich aus links eingestellten, jungen Personen besteht.
Der *innen-Sticker bedeutet so viel, dass man wenn möglich gendern soll. Im Sinne von … dass man nicht einfach sagt: „Ja ich habe die ja auch mit gemeint.“ Sondern die Idee von … tatsächlich … Ja, auch erwähnt.
Konstantin, 21.03.2023
Werbung
Laptopdeckel bieten eine überaus gute Oberfläche für Werbesticker. Auch bei diesem Laptop erfüllen viele Sticker einen Werbeauftrag für eine bestimmte Marke, ein Unternehmen oder ein politisches Anliegen. Dabei geht es den Unternehmen und Organisationen vor allem um Sichtbarkeit.
In diesem Beispiel hat es überraschend viele Sticker, die Werbezwecken dienen. Konstantin macht mit seinem Laptopdeckel Werbung für politische Anliegen, eine Kletterhalle, ein Tanzstudio, eine Kleidermarke, eine Biermarke und sogar eine Internetseite (buffy.ch). Dies sind alles Marken und Anliegen hinter denen Konstantin steht und mit denen er sich auch privat identifizieren kann.
Bei den Boulderhalle- und Tanzschule-Stickern wird von Konstantin auch ganz klar erwähnt, dass der Werbeeffekt der Hauptgrund ist, warum er sich diese Sticker überhaupt auf den Laptopdeckel geklebt hat.
Der ist von einer ehemaligen Mitarbeiterin. Sie hat gesehen, dass ich Sticker drauf habe und dann hat sie gemeint, ich muss unbedingt ihren Sticker auch draufkleben. Und ich konnte nicht Nein sagen.
Konstantin, 21.03.2023
Humor
Zu vielen seiner Sticker kann Konstantin lustige Anekdoten erzählen. Beim Gespräch mit ihm wurde mir sowieso recht schnell klar, dass Konstantin seine Laptop-Sticker selber nicht allzu ernst nimmt. Besonders im oberen Bereich des Laptopdeckels finden sich einige Sticker, die stark humorbehaftet sind. Dadurch strahlt das Gesamtbild eine gewisse Lockerheit und Unbefangenheit aus. Selbst wenn man die genaue Bedeutung gewisser Sticker nicht kennt, kann man durchaus erahnen, dass ein Witz dahintersteckt. Die meisten Sticker sind weder bierernst noch monothematisch genug, um einen ernsthaften, seriösen Eindruck zu erwecken.
Der „NIEMERT WÖT DAS“-Sticker hatte eine Kollegin einfach im Auto rumliegen und ich fand ihn noch lustig, weil man ihn auf verschiedene Sachen anwenden kann und er eigentlich nicht so wirklich eine Bedeutung hat. Aber eben doch … je nach Situation. Er bezieht sich jetzt nicht auf was Bestimmtes aber man kann ihn halt auf Vieles beziehen.
Konstantin, 21.03.2023
Schreibe einen Kommentar