Übersicht
Über Daniel:
Der Besitzer des Laptops ist Daniel*, er ist Mitte 20 und arbeitet als Produzent beim Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) im Unterhaltungsbereich. Er wohnt in Zürich, wie man aber seinem Dialekt entnehmen kann, ist er in Basel aufgewachsen. Viel mehr möchte er nicht preisgeben. „Ich glaube du musst aber auch nicht mehr wissen, um den Laptop zu verstehen“, meint Daniel bei unserem Interview, „denn die meisten Sticker haben irgendwie einen Zusammenhang zum SRF“.
Analyse
Wiedererkennbarkeit
Die Sticker auf diesem Laptop waren anfangs Mittel zum Zweck. Mein Interviewpartner erzählt mir, dass die Sticker zu Beginn dazu dienten, seinen Laptop im Büro schnell zu erkennen. „In unserem alten Büro hatten wir keine eigenen Fächer, um Dinge wie die Laptops zu verstauen und wir hatten auch keine fixen Arbeitsplätze. Das führte dazu, dass die Laptops immer irgendwo im Büro herumlagen“. Dies sei sehr anstrengend gewesen, da alle Mitarbeitenden das selbe Laptop-Modell erhielten und diese nur über einen kleinen Sticker mit der Gerätenummer auf der Innenseite der Laptops unterschieden werden konnten. „Dann hatte ich zu Hause einen ‚PARI‘ Sticker herumliegen, der mir irgendwie gefiel und klebte den einfach auf meinen Laptop. Ich dachte mir ‚So weiss ich immer, welches mein Laptop ist‘. Und so hat das ganze irgendwie angefangen“.
Zugehörigkeit
Bei diesem einen Sticker ist es aber nicht geblieben. Über die Jahre wurden es insgesamt 31 Sticker. Viele von ihnen sind repräsentativ für verschiedene Lebensbereiche des Laptop-Besitzers. So sind zum Beispiel zwei Sticker auf dem Laptop zu finden, welche auf seine Herkunft aus Basel hindeuten. Die Sticker müssen dabei nicht zwingend direkt mit Daniels persönlicher Geschichte zusammenhängen, sondern sind vielmehr symbolisch. „Ich bin eigentlich gar nicht so ein grosser FC Basel Fan, aber irgendwie gehört es sich als Basler einfach dazu, so einen Sticker zu haben. Der Club ist halt schon auch ein grosser Teil der Basler Identität.“
Neben dem Basel Sticker gibt es aber auch Sticker, welche auf Daniels neuen Wohnort Zürich hindeuten. Genauer handelt es sich bei den beiden Stickern um Werbesticker der Stadtpolizei Zürich. Laut Daniel ist hier der geographische Bezug nicht wichtig, vielmehr geht es für ihn um die Institution. „Für mich ist es egal, dass es die Stapo Zürich ist. Ich bin einfach fasziniert von Blaulichtorganisationen und habe deshalb auch Sticker von der Polizei und der Feuerwehr auf meinem Laptop. Als Kind wollte ich immer Feuerwehrmann werden und war auch in der Jugendfeuerwehr.“ Auch wenn für Daniel selber der geographische Bezug keine Rolle spielt, ist es trotzdem unbewusst ein Symbol für einen Wandel in seinem Leben. Die geographische Nähe zu Zürich ermöglichte es ihm erst, an diese Sticker zu gelangen. Wäre er nicht von Basel weggezogen, so hätte er heute vielleicht Sticker der Basler Kantonspolizei auf seinem Laptop, aber sehr wahrscheinlich keine von Zürich.
Insgesamt neun der Sticker auf dem Laptop haben einen Bezug zu Daniels Beruf. Es sind Werbesticker von Produktionsfirmen, mit welchen Daniel zusammengearbeitet hat, Logos von Sendungen, bei welchen er in irgendeiner Form involviert war, aber auch Sticker, welche ohne Zusatzwissen nicht in diese Gruppe eingeordnet werden könnten. Die Hauptfunktion dieser Sticker sei, laut Daniel, die interne Repräsentation. „Das ist ja mein Geschäftslaptop. Deshalb möchte ich auch irgendwie, dass er meine Arbeit repräsentiert. Also wenn ich zum Beispiel in einem Meeting mit Leuten aus anderen Abteilungen bin, dann erkennen sie anhand dieser Stickern relativ schnell, in welchem Bereich ich arbeite.“ Dabei handelt es sich auch um eine Form der Zugehörigkeit. Auch wenn die Sticker zum Teil ein gewisses Vorwissen benötigen oder nur von Leuten in einer spezifischen In-Group erkannt werden, erfüllen sie trotzdem eine Rolle der Verortung des Laptopbesitzers.
Humor
Neben den bereits erwähnten Stickern ist eine weitere Gruppe an Stickern auf Daniels Laptop auszumachen. Diese Gruppe setzt sich aus humoristischen Zitaten und Memes zusammen: „Bei uns im Team bestellen irgendwie alle immer Sticker, die sie lustig finden, oder die ihnen sonst gefallen. So bin ich eigentlich zu den meisten der Meme-Sticker gekommen. Die einen habe ich aber auch selber gekauft“. Für Daniel haben diese humoristischen Sticker aber auch einen klaren Bezug zu seiner Arbeit.
Es gehört halt bei unserem Job dazu, dass wir uns mit Comedy und der Online-Kultur auseinandersetzen. Deshalb macht es irgendwie auch Sinn, dass wir unsere Laptops mit Memes bekleben.
Gleichzeitig sei es gar nicht so wichtig, was genau das Meme oder der Witz auf dem Sticker ist. „Zum Beispiel beim ‚Für mich seid ihr alle Raver‘ Sticker habe ich keine Ahnung, woher das Bild ist und wieso dieser Text da steht, ich fand den einfach irgendwie witzig“. Als ich Daniel über den Hintergrund des Stickers aufkläre, ist er dann fast ein wenig enttäuscht. „Irgendwie fand ich ihn witziger, als ich nicht wusste, dass das Bushido ist“.
Andere Sticker haben aber auch tiefere Bedeutungen. So sei zum Beispiel das Christian Gross Zitat immer wieder im Büro zitiert worden und habe es auch als Easter Egg in einige Episoden von „SRF Zwei am Morge“ geschafft. „Deshalb habe ich den Sticker auch bestellt. Es hat einfach sehr gut zu uns gepasst“. Es wird auch hier durch die Sticker eine Form von Zugehörigkeit dargestellt, welche aber nur von einer sehr kleinen in-Group verstanden wird. Auch der „Jetzt canceln“ gehöre, laut Daniel, zu der Gruppe der Insider Witze. „Wenn man beim SRF arbeitet und online Content produziert, erhält man direktes Feedback durch die Kommentarfunktionen auf den social media Plattformen. Dabei kann man es nie allen recht machen und mindestens einmal pro Woche erhalten wir einen Kommentar, der dazu aufruft uns das Geld wegzunehmen, also uns zu ‚canceln'“.
Die Sticker
PARI-Sticker
Der Sticker zeigt das Logo der Marke „PARI“. Ein im Comic-Stil gezeichneter Katzenkopf in psychedelischen Farben. „PARI“ ist die Lifestyle-Marke des deutschen Fotografen Paul Ripke.
Der Sticker befand sich auf dem Laptop in der Ecke unten links und obwohl es sich dabei um den ersten Sticker auf dem Laptop handelte, wurde er bis zum Ende, mit Ausnahme des linken Ohrs, nicht überklebt.
Basel Sticker
FC Basel
Der Sticker zeigt das Wappen des Fussballclubs FC Basel. Man erkennt anhand der anderen Sticker, welche über den FC Basel Sticker geklebt wurden, dass dieser schon sehr früh seinen Platz auf dem Laptop fand.
Gemeinsam gegen Verbrechen
Hier handelt es sich, laut Daniel, um einen Sticker der Basler Polizei aus den 1980er Jahren. Der runde Sticker zeigt das Wappen des Kanton Basel-Stadt, begleitet von zwei weissen Löwen auf gelbem Hintergrund. Mit grossen schwarzen Buchstaben steht „Gemeinsam gegen Verbrechen“ unterhalb des Wappens.
Den Sticker erhielt Daniel von seinem Onkel: „Mein Onkel hat viele Sticker gesammelt und hat deshalb auch viele alte Sticker aus den 70er und 80er Jahren. Er hat mir schon einige Sticker geschenkt. Diese gefallen mir besonders gut, weil sie sehr selten sind und ich noch keine andere Person mit diesen Stickern gesehen habe.“
Zürich Sticker
Sticker mit Berufsbezug
Der Sticker zeigt ein Still aus dem Intro des mittlerweile beendeten online Formats „SRF Zwei am Morge“. Neben dem Logo sind auch die zwei Hosts der Sendung auf dem Sticker zu sehen. Der Sticker befindet sich oben rechts auf dem Laptopdeckel.
Daniel hat für „SRF Zwei am Morge“ gearbeitet, weshalb er sich auch entschieden hatte, diesen Sticker aufzukleben. „Wir haben die fast schon privat mal bei Ifolor oder so bestellt. Die Sticker waren mega schlechte Qualität, aber wir hatten Freude daran, uns nach aussen repräsentieren zu können“.
Kurz bevor wir aus dem alten Radiostudio ausziehen mussten, hatten wir einmal im CD Archiv gedreht. Dort lag eine Rolle mit diesen Stickern herum. Normalerweise werden sie benutzt, um die CDs zu markieren, damit man weiss, von wo die CD kommt. Ich fand es einfach ein cooles Erinnerungsstück, und hab deshalb ein paar dieser kleinen Sticker mitgenommen.
Dieser Sticker zeigt eine Parodie des „Tele Züri“ Logos. Einem Regionalsender von CH Media. Die Parodie des Logos entstand im Zusammenhang mit einer Episode von „SRF Zwei am Morge“, in welcher bekannte Schweizer Memes in einen News-Beitrag verwandelt wurden. Wie beim „SRF Zwei am Morge“ Sticker, handelt es sich hierbei also um einen selbstangefertigten Sticker.
Auch bei dem „SRF Debriefing“ und „Vollgas“ Sticker handelt es sich um selbstgemachte Kleber.
„SRF Debriefing heisst der Podcast, welcher als Nachfolge auf ‚Zwei am Morge‘ kam, und indem der Entwicklungsprozess unserer neuen Sendung diskutiert wurde. Das Logo habe ich in 2 Minuten in Photoshop gezeichnet“.
Der Vollgas Sticker entstand durch eine Geschichte, welche in diesem Podcast erzählt wurde. Die Hörer:innenschaft konnte anschliessend auf Instagram über zwei verschiedene Designs des Stickers abstimmen. Der abgebildete Sticker ist der Sieger dieser Abstimmung.
Der „#CYPHER“ Sticker stammt von einer weiteren Produktion, an welcher Daniel mitgearbeitet hat. Der „SRF Bounce Cypher“ ist ein jährliches Live Event, an welchem Schweizer Rapper:innen ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen.
Ich habe einmal dort mitgearbeitet und dann gab es dort diese Sticker. Da habe ich mir natürlich direkt einen abgestaubt und auf mein Laptop geklebt.
Bei den drei oben abgebildeten Stickern handelt es sich um Werbesticker von Produktionsfirmen bzw. einer Rundfunkanstalt. Daniel hat mit diesen bereits zusammengearbeitet und ist so zu diesen Sticker gekommen.
Position des Autors
Ich arbeite seit knapp 4 Jahren beim Schweizer Radio und Fernsehen im selben Team wie Daniel. Dadurch kenne ich seinen Laptop, die Sticker darauf und auch viele der Geschichten, welche hinter den einzelnen Stickern stecken. Ich habe also eine grosse Menge an Vorwissen, welches bei der Analyse der Sticker sicherlich hilfreich war. Gleichzeitig war es nicht immer ganz einfach zu entscheiden, wo ich mein Vorwissen einsetze und wo nicht. Gerade weil Daniel anonym bleiben will, musste ich mit Hintegrundinformationen vorsichtig umgehen.
*Der Besitzer des Laptops möchte gerne Anonym bleiben, weshalb der Name für diesen Text geändert wurde.
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