Tagungsthema

Der Begriff Metadaten hat sich in den letzten Jahren vom IT-Fachausdruck zum Allerwelts- und Trendwort entwickelt, das auf zentrale kulturelle Semantiken und technologische Dynamiken der Gegenwart verweist – auch und gerade mit Blick auf populäre Musik. Im Kontext digitaler Systeme, maschinellen Lernens (KI), flächendeckender Internet-Verfügbarkeit im globalen Norden, Streaming-Möglichkeiten usw. sind „Daten über Daten“ bzw. Etikettierungen anderer Daten für die Infrastrukturen populärer Musik von erheblicher Bedeutung. Zugleich wirken sie auch auf die Produktionsseite zurück, weil sich Genregrenzen und andere Konventionen verschieben – und fungieren als heuristischer Ausgangspunkt für Versuche, dieses Geschehen intellektuell zu durchdringen und zu kritisieren. Streaming-Dienste und ihre Musik-Empfehlungs-Algorithmen sind das Paradebeispiel für die gegenwärtige Relevanz von Metadaten. Musik- und Kulturwissenschaftler:innen haben solche digitalen Systeme und ihre Effekte zuletzt verstärkt untersucht. Sowohl ethnografisch als auch mit quantitativen Methoden wurden substanzielle Erkenntnisse über die technischen (Infra-)Strukturen, die Ideologien und die Umverteilungseffekte im Umfeld des Plattformkapitalismus herausgearbeitet – auch wenn viele (Forschungs-)Fragen offenbleiben.


In der Konjunktur der Metadaten – als Phänomen, als Begriff – und, allgemeiner, von als „Meta-“ etikettierten Phänomenen, werden soziotechnische Konstellationen greifbar, die die gegenwärtige Produktion, Zirkulation und Rezeption populärer Musik in besonderer Weise prägen. Etikettierungen als „Meta“ (Metadaten – aber z.B. auch Metatags, Metatrend, Metamaterial oder gar die Umbenennung des Facebook-Mutterkonzerns in Meta) evozieren zudem eine zeitgeistig wirkende Vieldeutigkeit und Vagheit. „Meta-“ ist somit mindestens so sehr ein Phänomen des kulturellen Imaginären wie der technologischen Materialität. Als Leitmotiv der Tagung verweist „Meta“ (im Sinne der vieldeutigen griechischen Vorsilbe μετά) auf das jenseits der klanglichen Dimension populärer Musik Liegende, das mit ihr Einhergehende, das in ihren Zwischenräumen Existierende.


Im Zentrum der Konferenz stehen deshalb nicht nur die angesprochenen Metadaten und Metatags in digitalen Systemen, sondern auch andere Metainformationen populärer Musik: Obschon die klangliche Materialität – im Sinne der Affordanztheorie – Anlagerungspunkte für aussermusikalische Bedeutungszuschreibungen anbietet, richtet die Tagung das Augenmerk auf Aspekte populärer Musik über das Klingende hinaus. Populäre Musik ist unweigerlich mit ihrem raum-zeitlichen Kontext verknüpft; sie findet im Koordinatensystem soziokultureller, ökonomischer, ökologischer, medialer, tech­nologischer wie auch politischer Achsen statt. Sie ist geprägt vom multidirektionalen Transfer zwischen verschiedenartigen Informationsquellen. Metainformationen populärer Musik wie etwa Künstler:innen-Images, Genre-Klassifikationen, performative Qualitäten, Mode, Design, Charts-Platzierungen, marketingbezogene Kommunikation, soziale Symbole, lifestylebezogene Codes etc. ermöglichen es deshalb auch, die aktuelle Erweiterung und Verdichtung des vielschichtigen Referenzsystems rund um populäre Musikkulturen zu erkunden. Das Präfix beschreibt zudem die Veränderung, den Wechsel eines Zustandes, z.B. im Sinn einer Metamorphose. Es referenziert den steten Wandel der als populäre Musik bezeichneten Inhalte, aber auch die grundlegend dynamische Beschaffenheit ihrer Gestaltformen und die Fluidität ihrer Herstellung und Rezeption.