Menu Close

Article by Manuel von Rotz

Gleichstellung durch Gesetz

Die Masterarbeit «Gleichstellung durch Gesetz: Der Weg zum Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann von 1995 im Kontext von Wirtschaft, Politik, Recht und Gesellschaft» untersucht die Entstehungsgeschichte und Bedeutung des Bundesgesetzes über die Gleichstellung von Frau und Mann (GlG, SR 151.1). Dabei wird die Geschichte der Gleichstellung in der Schweiz beleuchtet – von Art. 4 der alten Bundesverfassung (heutiger Art. 8 der Bundesverfassung [BV, SR 101]) über den Verfassungsartikel «Gleiche Rechte für Mann und Frau» bis zur Verabschiedung des GlG und seinen späteren Entwicklungen. Diese Geschichte wurde von zahlreichen politischen Auseinandersetzungen, gesellschaftlichem Widerstand und juristischen Herausforderungen geprägt.

Ein zentraler Aspekt der Arbeit ist die Analyse der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, welche zur Schaffung des GlG führten. Dazu wird auf die Rolle der Frauenbewegung, den Verfassungsartikel «Gleiche Rechte für Mann und Frau», den ersten nationalen Frauenstreik am 14. Juni 1991, politische Vorstösse und den Einfluss internationaler Abkommen eingegangen.

Auch der Gesetzgebungsprozess wird detailliert dokumentiert und analysiert. Die wesentlichen Schritte und Debatten werden nachgezeichnet. Dabei werden die Positionen der Wirtschaft und der Politik genauer beleuchtet.

Der Nationalrat als Erstrat nahm beispielsweise umfassende Einschränkungen am bundesrätlichen Entwurf vor. So wurde namentlich die Beweislasterleichterung auf Lohndiskriminierungen beschränkt. Der Ständerat als Zweitrat hob die vom Nationalrat vorgenommenen Einschränkungen wieder auf. Dies geschah nicht zuletzt aufgrund des starken Drucks von Frauenverbänden. In der Differenzbereinigung einigten sich die beiden Räte schliesslich, sodass das GlG am 24. März 1995 nach rund zweijähriger Beratung verabschiedet wurde und am 1. Juli 1996 in Kraft trat.

Die Entwicklung des GlG stellt ein bedeutendes Kapitel in der Geschichte der Frauenrechte in der Schweiz dar. Es ist das Ergebnis jahrzehntelanger Bemühungen progressiver Kräfte und verdeutlicht, dass Gleichstellung aktiv erkämpft und verteidigt werden muss. Trotz der Errungenschaften des GlG bleibt seine praktische Umsetzung in vielen Hinsichten hinter den Erwartungen zurück, namentlich im Bereich der Lohngleichheit. Obwohl diese sogar verfassungsrechtlich verankert ist, bestehen nach wie vor systematische Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Die Ursachen dafür sind vielschichtig – von unzureichender behördlicher Kontrolle bis hin zu fehlenden Sanktionsmechanismen, die Verstösse gegen das Gesetz konsequent ahnden. Reformvorschläge wie die Stärkung der Gleichstellungsbüros, eine bessere Beweislastverteilung oder die Verpflichtung der Unternehmen zu mehr Transparenz wurden bisher nur teilweise umgesetzt.

Im Zuge der Weiterentwicklung des GlG wurde die Lohngleichheitsanalyse ins Gesetz integriert. Diese dient der Überprüfung von Lohnstrukturen auf Diskriminierungen. Kritisiert wird namentlich die hohe Schwelle von 100 Mitarbeitenden, ab welcher Unternehmen zur Analyse verpflichtet sind, da dadurch viele Unternehmen davon ausgenommen sind. Forderungen nach einer Ausweitung der Analysepflicht und mehr Transparenz bleiben bestehen.

Zudem wird ersichtlich, dass Gleichstellung nicht allein durch die Gesetzgebung erreicht werden kann. Vielmehr muss sie durch gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Massnahmen begleitet werden, um strukturelle Benachteiligungen nachhaltig zu beseitigen. Der Frauenstreik von 1991 und die seither immer wieder aufflammenden gesellschaftlichen Debatten machen deutlich, dass die tatsächliche Gleichstellung noch immer nicht erreicht ist, viele Probleme hartnäckig bestehen bleiben und neue hinzukommen. Dies unterstreicht, dass das Recht zwar ein wichtiges Instrument zur Förderung der Gleichstellung ist, seine Wirksamkeit jedoch entscheidend davon abhängt, ob es von gesellschaftlichem und politischem Willen getragen wird.

Die Gleichstellung der Geschlechter bleibt eine kontinuierliche Aufgabe, die nicht mit der Verabschiedung eines Gesetzes endet. Trotz bestehenden Herausforderungen bleibt das GlG ein zentrales und unverzichtbares Instrument der Gleichstellungspolitik in der Schweiz. Es bildet eine tragfähige rechtliche Grundlage, auf der weiter aufgebaut werden kann. Ob es sein volles Potenzial entfalten kann, hängt davon ab, ob bestehende Lücken geschlossen und strukturelle Barrieren konsequent beseitigt werden. Dafür braucht es anhaltendes Engagement der Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Nur wenn Gesetzgebung, Kontrolle und gesellschaftliches Bewusstsein darauf abgestimmt sind, kann das ursprüngliche Ziel des GlG – die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern – realisiert werden.

Die Weiterentwicklung des GlG bleibt dementsprechend ein zentrales Anliegen. Es ist zu hoffen, dass die politische und gesellschaftliche Unterstützung für weiterführende Reformen gestärkt wird.

Literaturverzeichnis

Bundesamt für Statistik, Auf dem Weg zur Gleichstellung von Frau und Mann, Stand und Entwicklung, Neuchâtel 2019.

Fuchs Gesine, Gleichstellungspolitik in der Schweiz, Einführung in ein umstrittenes Politikfeld, Berlin 2018.

Kaufmann Claudia (27. Februar 2025), Interview.

Kaufmann Claudia/Steiger-Sackmann Sabine (Hrsg.), Kommentierung zum Gleichstellungsgesetz, Schriftenreihe Schweizerischer Gewerkschaftsbund, 3. Auflage, Basel 2022.

Seitz Werner, Auf die Wartebank geschoben, Der Kampf um die politische Gleichstellung der Frauen in der Schweiz seit 1900, Zürich 2020.