Frauenrecht –Familienrecht: Eine Analyse rechtlicher Entwicklungen anhand der Familienrechtsrevision
Die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter war im Zivilrecht lange Zeit nicht gegeben. Verheiratete Frauen standen unter der Vormundschaft ihres Ehemannes, waren in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt und hatten keine Kontrolle über ihr eigenes Vermögen. Dies blieb bis zum Inkrafttreten des ZGB im Jahr 1912 bestehen. Das ZGB galt als fortschrittlich und innovativ, war jedoch von tief patriarchalischen Strukturen geprägt. Erst ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts häuften sich tiefgreifende Veränderungen der Lebensverhältnisse, technischer Fortschritt, andere Vorstellungen der Lebensgestaltung und des Rollenverständnisses zwischen Frau und Mann. Der gesellschaftliche Wandel erfasste schliesslich das Familienrecht und in den 1950er Jahren verbreitete sich die Ansicht, dass eine Familienrechtsrevision notwendig sei. Seit den 1970er Jahren erfolgten mehrere kleine und grössere Revisionen, darunter fünf grosse Revisionsetappen.
Die ersten beiden grossen Revisionsetappen betrafen das Adoptionsrecht (1973) und das Kindesrecht (1978). Beide stärkten vor allem die Rechte des Kindes, verbesserten aber auch die Stellung der Frau. Eine wichtige Thematik betraf im Adoptionsrecht die Zustimmung zur Adoption. Vor der Revision konnten die Eltern zur Adoption nur ihre Zustimmung erteilen, wenn sie die elterliche Gewalt (heute: elterliche Sorge) innehatten. Mütter ausserehelicher Kinder hatten keinen Anspruch auf die Erteilung der Zustimmung. Seit der Revision bedarf es der Zustimmung des Vaters und der Mutter, unabhängig davon, ob sie die elterliche Gewalt innehaben. Diese darf zudem nicht vor Ablauf von sechs Wochen seit der Geburt des Kindes erteilt werden und kann binnen sechs Wochen widerrufen werden. So wird die Mutter geschützt, indem ihr Zeit zur Erholung und freien Entscheidung gewährt wird. Mit der Kindesrechtsrevision erhielt die Mutter eines ausserehelichen Kindes von Gesetzes wegen die elterliche Gewalt (heute gilt die gemeinsame elterliche Sorge unabhängig vom Zivilstand der Eltern als Regelfall). Zuvor lag es im Ermessen der Vormundschaftsbehörde, ob und wem die elterliche Gewalt über das aussereheliche Kind zugewiesen wird. Im Fall eines ehelichen Kindes übten schon vor der Revision beide Eltern die elterliche Gewalt aus, der Vater hatte aber bei Unstimmigkeiten den Stichentscheid. Dieser entfiel mit der Revision im Sinne der Gleichberechtigung.
Die weiteren zwei grossen Revisionsetappen betrafen das Eherecht (1988) und das Scheidungsrecht (2000). Beide Revisionen waren zentral für die Verbesserung der familienrechtlichen Stellung der Frau. Das neue Eherecht zielte auf die Gleichstellung der Ehegatten ab. Wichtig war, dass der Ehemann nicht mehr als «Haupt der Gemeinschaft» statuiert wurde und die gesetzliche Aufgabenteilung beim Unterhalt der Familie aufgehoben wurde. Denn zuvor war der Mann für den finanziellen Bedarf zuständig und die Frau hatte den Haushalt zu führen. Eine weitere Änderung betraf die Ausübung von Beruf oder Gewerbe, zu welcher die Ehefrau vor der Revision die Zustimmung des Ehemannes benötigte. Auch dies stand im Widerspruch zum Grundsatz der Gleichberechtigung und wurde aufgehoben. Der ordentliche Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung wurde eingeführt, denn der zuvor geltende ordentliche Güterstand der Güterverbindung führte zu einer wirtschaftlichen Abhängigkeit der Ehefrau. Das neue Scheidungsrecht stärkte die Frau insbesondere im Hinblick auf die finanziellen Folgen einer Scheidung. Das Verschuldensprinzip wurde abgeschafft, sodass nachehelicher Unterhalt unabhängig davon geltend gemacht werden kann, ob man Schuld an der Scheidung trug. Zudem wird die berufliche Vorsorge seither im Scheidungsfall hälftig geteilt.
Die letzte grosse Revisionsetappe betraf das Erwachsenenschutzrecht (2013). Das alte Vormundschaftsrecht wies erhebliche organisatorische, verfahrensrechtliche und materiell-rechtliche Mängel auf. Die Einführung der eigenen Vorsorge stärkte die Selbstbestimmung. Behördliche Massnahmen müssen seither subsidiär, verhältnismässig und individuell angepasst erfolgen. Zudem wurde die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde professionalisiert und stigmatisierende Begriffe im Gesetz ersetzt.
Diese und weitere gesetzliche Änderungen haben einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Frauenrechte im familienrechtlichen Kontext geleistet. Das Familienrecht ist ein dynamisches Rechtsgebiet und passt sich an gesellschaftliche Veränderungen an. Die rechtliche Gleichstellung von Mann und Frau ist weitgehend erfolgt. Ob dies in der Praxis so gelebt wird, bleibt dabei eine andere Frage. So erlaubt uns ein Blick in die Vergangenheit des Familienrechts zu erkennen, was bereits erreicht wurde. Beim Blick in die Zukunft bleibt uns eine gespannte Erwartungshaltung und die Hoffnung, dass bestehende Ungleichheiten, insbesondere für Frauen, auch künftig abgebaut werden und das Recht weiter an die gesellschaftliche Realität angepasst wird.
Literaturverzeichnis
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