Erica Kuster

Erica Kuster wurde 1941 in Basel geboren und wuchs in einer gutbürgerlichen, patriarchalisch geprägten Familie auf. Ihr Vater war ein politisch aktiver Kinderarzt und dominierte als Familienoberhaupt. Ihre Mutter kämpfte bereits in jungen Jahren entschieden für ihre Ausbildung – was damals keineswegs selbstverständlich war. Diese Haltung der Mutter prägte Erica Kuster nachhaltig und vermittelte ihr ein Bild von Eigenständigkeit und Durchsetzungsvermögen, auch wenn die Rollenverteilung in der Familie traditionell blieb.

Die Schulzeit verlief nicht ohne Hürden, da sie mit Lernschwierigkeiten wie Legasthenie zu kämpfen hatte. Dennoch fand sie ihren Weg und entschied sich nach dem Gymnasium für eine Ausbildung zur Ergotherapeutin – ein damals neuer und wenig anerkannter Beruf, der sie durch die Verbindung von medizinischen, handwerklichen und zwischenmenschlichen Aspekten faszinierte. Trotz strikter Hierarchien im Gesundheitswesen und anfänglicher gesellschaftlicher Vorurteile schloss sie ihre Ausbildung erfolgreich ab und gehörte zu den Pionierinnen der Ergotherapie in der Schweiz.

Schon früh engagierte sie sich berufspolitisch und trat dem Berufsverband bei, wo sie sich mit grossem Engagement für die Anerkennung der Ergotherapie als Beruf auf Tertiärstufe einsetzte. Eine grosse Herausforderung war die fehlende gesetzliche Verankerung der Gesundheitsberufe auf Bundesebene. Erica Kuster musste immer wieder Überzeugungsarbeit leisten, bestehende Regelungen hinterfragen und mit taktischem Geschick ihre Anliegen durchsetzen.

Auch privat prägten Herausforderungen ihren Lebensweg. Nach einer frühen Heirat und Scheidung war Erica Kuster als alleinerziehende Mutter mit rechtlichen und sozialen Schwierigkeiten konfrontiert. Diese Erfahrungen bestärkten sie, sich verstärkt für Frauenrechte und die Reform des Eherechts einzusetzen. Die Einführung des Frauenwahlrechts 1971 erlebte sie als wichtigen Wendepunkt. Ihr Vater, ein Befürworter des Frauenstimmrechts, zweifelte damals an der Bereitschaft der Frauen, politische Verantwortung zu übernehmen – ein Argument, das damals weit verbreitet war. Für sie war diese Einführung jedoch der Anstoss, sich aktiv politisch zu engagieren, zum Beispiel mit Unterschriftensammlungen oder der Unterstützung von Abrüstungsinitiativen.

Erica Kusters Lebensweg zeigt, wie eng persönliche Erfahrungen, berufliches Engagement und gesellschaftlicher Wandel zusammenhängen. Mit Beharrlichkeit und Überzeugungskraft setzte sie sich für die Anerkennung ihres Berufs und die Gleichberechtigung der Frauen ein. Ihr Engagement ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie wichtig es ist, Herausforderungen anzunehmen und bestehende Strukturen kritisch zu hinterfragen.