Die Vereinigung von unterschiedlichen digitalen Medien und Kunstwerken innerhalb einer Ausstellung ist noch nicht oft Bestandteil der schweizerischen Kunstmuseen. Ein grundlegendes Ziel der Graphischen Sammlung ETH ist es, die Digitalisierung voranzutreiben und forschungsorientiert zu arbeiten. Dieses digitale Ausstellungsprojekt soll diesen Grundsätzen nachkommen und die bisher kaum erschlossenen Entwürfe James Turrells in den Fokus rücken.
Julia Schletter und Lara Vehovar
Ausgangslage
Zum Bestand der Graphischen Sammlung ETH Zürich zählen auch Entwürfe und Druckgrafiken von James Turrell. Im Zusammenhang mit der Ausstellung Eric Fischl, James Turrell, Luc Tuymans und ihr Drucker Peter Kneubühler vom 14. Mai bis 11. Juli 2008 wurden Werke von Turrell an die Graphische Sammlung geschenkt und ausgestellt. Dabei standen die Druckgrafiken im Fokus, die von dem bereits verstorbenen Zürcher Drucker Peter Kneubühler angefertigt wurden.
In dieser neu geplanten Ausstellung James Turrell – Vom Entwurf zum Licht soll nun Turrells Schaffen im Zentrum stehen und ausgewählte Werke aus einer anderen Perspektive näher beleuchtet werden. Der Fokus soll hierbei auf dem Entwicklungsprozess vom Entwurf zur realisierten Installation liegen. Denn Turrells Entwürfe dienten als Grundlage seiner Raum-Licht-Installationen (Projection Pieces). Allerdings sind die Installationen nicht Teil der Graphischen Sammlung ETH Zürich. Damit der Entwicklungsprozess sichtbar gemacht werden kann, sollen auch die Installationen Teil der Ausstellung werden. Um diese ephemeren, zumeist architektonisch gebundenen und teilweise nicht mehr existierenden Installationen in der Graphischen Sammlung ETH Zürich zeigen sowie erfahrbar machen zu können, soll diese Ausstellung mithilfe von digitalen Medien ergänzt und erweitert werden, sodass ein sehr aufwendiger Ausstellungsaufbau und die dadurch anfallenden Kosten so gering wie möglich gehalten werden können.
Ziel des Projekts
Mit dieser Ausstellung soll primär das Ziel verfolgt werden, den Ausstellungsbesuchenden den Entwicklungsprozess vom Entwurf zur Rauminstallation von Turrells Werken aufzuzeigen und ihnen einen Einblick in sein Schaffen zu geben. Es soll wohl der wichtigste Aspekt Turrells Praxis thematisiert werden: das Medium Licht, aber vor allem auch dessen sinnliche und räumliche Erfahrung. Turrells Lichträume führen zu einer gesteigerten sinnlichen Wahrnehmung. Diese Raum-, Blick- und Körpererfahrung soll auch digital ermöglicht werden.
Darüber hinaus soll die Nutzung der digitalen Medien in der Ausstellung für die unterschiedlichen Altersgruppen einfach zugänglich sein. Damit sich auch in Zukunft die Besucher durch die Umsetzung der Digitalisierung in dieser Ausstellung auf Neuerungen im Ausstellungswesen einlassen. Es soll eine unkonventionelle Erfahrung geschaffen werden, die einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Diese Ausstellung soll sich von anderen Ausstellungen in ihrer Gestaltung abheben und damit auch zur Anregung eines erneuten Besuches dieser oder auch der nachfolgenden Ausstellungen in der Graphischen Sammlung ETH Zürich beitragen. Zudem soll die Graphische Sammlung in ihrem Vorhaben der fortschreitenden Digitalisierung unterstützt werden.
Projektbeschreibung
Die Ausstellung Vom Entwurf zum Licht stellt vier Werkserien von James Turrell aus. Die Entwürfe zu den Projection Pieces, welche Turrell von Mitte bis Ende der 1960er Jahren erschuf, und die Aquatinta Serien First Light und Still Light, die jeweils 1989–1990 respektive 1990–1991 entstanden sind, werden physisch im ersten Raum aufgehängt. Die Druckgrafiken der frühen neunziger Jahre nehmen Bezug auf die Projections Pieces. Diese Rückbesinnung lässt sich durchaus als Reflexion, aber auch als weitere Studie und somit eigenständiges Werk verstehen. Die Aquatinta Serien untersuchen die Wirkung der atmosphärischen Lichtobjekte auf den Gesamtraum, wie auch die Wirkung des Lichts in einem anderen als dem ursprünglichen Medium der Arbeiten.
Die Werke werden ohne Rahmen gehängt, um den nicht-fertigen Charakter zu unterstreichen. Es wird sich einer assoziativen Anordnung der Werke bedient, um den künstlerischen Prozess als nicht-linearen Verlauf darzustellen, sowie den Kontrast der verschiedenen Werkgrössen auszugleichen. Im zweiten Raum wird eine Auwahl der Ganzfelds-Serie digital ausgestellt. Ganzfelds sind gesamträumliche Installationen mit gleichförmigem Licht ausgefüllt, in die der Besuchende eintreten kann. Es handelt sich hierbei um psychologische Wahrnehmungsstudien, mit denen Turrell in seinen Studienjahren in Berührung kam.
Durch die Gegenüberstellung der Papierarbeiten Projection Pieces mit den Ganzfelds soll die Spannbreite Turrells Schaffen aufgezeigt werden: von den konzentrierten Raum-Licht-Installationen in unterschiedlichen Formen zu den immersiven Lichträumen.
Die digitale Strategie der Ausstellung gliedert sich in drei Komponenten. Die ausgeführten Projection Pieces werden mittels Augmented Reality bildlich über die Papierarbeiten überlagernd sichtbar gemacht und digital ausgestellt, um den Entstehungsprozess endgültig zu visualisieren. Aber auch erläuternde Texte zu Turrells Werken sollen Bestandteil der Überlagerungen sein. Da die Ganzfelds in diesem Rahmen nicht physisch ausstellbar sind, werden diese mit fünf Virtual Reality Brillen zugänglich gemacht. Das letzte Element der Strategie beinhaltet eine eigene für die Ausstellung entwickelte App, die als digitaler Begleiter auf einem Tablet die Besuchenden durch die Ausstellung führt. Darin sind neben der logistischen Ausstellungsführung sowohl die Augmented Reality Funktion als auch ein Ausstellungskatalog integriert. Somit ist auch die wissenschaftliche Untersuchung Teil der Ausstellung.
Die Vermittlung findet jedoch hauptsächlich im zweiten Raum statt, in dem der Saaltext auf die leeren, weissen Wände in kleinen Einheiten projiziert wird. So wird die textliche Vermittlung zum integralen Bestandteil der Ausstellung und muss sich nicht mit einem separaten Handout angeeignet werden.
Die kuratorische Grundhaltung basiert auf einer sehr fokussierten Auswahl von Werken, wie auch einem bewussten Einsatz von digitalen Mitteln. So soll zum einen keine Überforderung bei den Besuchenden ausgelöst werden und zum anderen die Möglichkeiten zur Erweiterung der Sinneserfahrung ausgelotet werden. Gewicht bei der Planung kommt auch der einfachen, technischen Bedienung der Geräte zu, sowohl geschultem Personal, das vor Ort zur Unterstützung beisteht.
Reflexion
Digitale Mittel, sowohl bei der Planung wie auch als Bestandteil von Ausstellungen, bringen sämtliche Vorteile mit sich. Durch den Einsatz des digitalen Kurationstool von freisicht wird das ortsunabhängige Entwickeln und Planen ermöglicht, sowie das direkte Austesten von Konzepten. Digitale Werkzeuge in der Ausstellung selber erweitern den ausstellbaren Raum und die Darstellung komplexer Systeme. Bei diesem Projekt wurde darauf geachtet, dass die digitalen Mittel nicht überborden, sondern den Hauptkern Turrells Schaffen – die sinnliche Wahrnehmung von Licht – in den Fokus setzen.
Durch die digitale Ausstellungsführung wird Ordnung geschaffen, was den Besuchenden zur Orientierung dient. Als eher kleines Museum, das an eine öffentliche Institution gebunden ist, müssen finanzielle Ressourcen geschont werden und trotzdem Anreiz zum Besuch geschaffen werden. Beides wird erreicht durch ein aktuelles Thema, für welches aber keine Leihgaben oder aufwendige Installationen zum Einsatz kommen müssen.
Es könnte problematisch sein, dass die digitalen Mittel in der Ausstellung integraler Bestandteil sind, welche zwingend funktionieren müssen, damit das Konzept der Ausstellung aufgeht. Dafür werden zusätzlich entsprechend ausgebildete Fachpersonen, sowohl bei der Konzeption als auch zur Aufsicht während der Ausstellung, benötigt. Dennoch stellt sich die Frage für die Digitalisierung von Ausstellungen, in welchem Gleichgewicht digitale Werkzeuge zum Einsatz kommen. Sollen bei der Planung von Ausstellungen digitale Mittel als unersetzbar oder rein als unterstützende Massnahmen angesehen werden?