«Wucher» im Aargauer Kunsthaus

Augmented Reality ermöglicht es, Kunst für Besucher:innen auf eine neue Art und Weise erlebbar zu machen. Anhand eines Kunstwerks von Gerda Steiner und Jörg Lenzlinger, das in der Eingangshalle des Aargauer Kunsthauses oft übersehen wird, soll dies exemplarisch gezeigt werden.

Belinda Casparis und Leonie Wohlgemuth

Ausgangslage
Gerda Steiner (*1967 in Ettiswil) und Jörg Lenzlinger (* 1964 in Uster) sind ein schweizerisches Künstlerduo. Das Kollektiv hat bereits unzählige Werke (hauptsächlich Installationen) auf der ganzen Welt ausgestellt. Ihre übergeordneten Themen sind meist «Mensch & Umwelt» Beziehungen. Ein frühes Beispiel für ihre Kunst ist Wucher «das Haustier des Kunsthauses Aarau» (Steiner & Lenzlinger 2003) wie der Künstler und die Künstlerin auf ihrer Website eigens beschreiben. Auch diese Rauminstallation, welche in einem Glaskasten «weggesperrt» ist, lebt und wächst für sich, wie die Spielereien der Namensgebung logisch rückschliessen lassen. Abfälle aus der Küche des Kunsthauses und Dünger arrangieren Farben und Formen dieses Ausstellungsobjektes immer wieder neu.

Gerda Steiner und Jörg Lenzlinger, Wucher, Aargauer Kunsthaus

Intensiv beschäftigt sich das Künstlerduo mit natürlichen Veränderungen, Verwesung, Zerfall, und Wachstum in der Natur und setzt geschickt künstliche, von Menschen hergestellte Objekte in einen Gegensatz dazu oder verbindet und verwandelt Künstliches in seinen Rauminstallationen mit Natürlichem zu einem fliessenden Ganzen. Pflanzen und Kristallisierungen von Kunstdünger oder Abfall, welche als Medien eingesetzt werden, wachsen unabhängig von Rezipient:innen und verändern ihre Werke auf eigene Weise.

Die Geschichte, die das Kunstwerk im Kunsthaus erzählt, bleibt aber oft im Verborgenen: Entweder, weil die Besucher:innen dem Werk, welches in der Eingangshalle platziert ist, zu wenig Aufmerksamkeit schenken oder und weil eine Beschreibung zu dieser modernen Kunstinstallation fehlt. Deshalb möchten wir die Vitrine durch ein AR-Angebot ergänzen, wie wir es im Aargauer Kunsthaus und im Workshop mit freisicht kennengelernt haben. Der AR-Rundgang soll einerseits die Aufmerksamkeit der Besucher:innen auf das Werk lenken, andererseits es mit interessanten und witzigen Inhalten bespielen.

Ziel des Projekts
Zusammen mit einer Figur, welche Hintergrundinformationen zum Kunstwerk und mögliche Interpretationen ausführt, sehen wir AR als Möglichkeit, die in der Installation aufgegriffene, räumliche Dimension zugänglicher zumachen, in dem man sich digital in ihr bewegen kann. Es findet ein Spiel mit den drei Dimensionen im Raum statt. Zudem dienen geschriebene Informationen dazu, das Chaos und die ineinander verschlungenen Dinge in der Glasvitrine aufzuschlüsseln und dem Auge beim Interpretieren der Installation zu helfen.

  • Inhalte des Kunstwerks lebendig vermitteln
  • Zeigen, was mit AR im Zusammenhang mit einer 3D Installation möglich ist
  • Mehr Bewusstsein für das Kunstwerk schaffen

Projektbeschrieb
Angelehnt an das Video (https://youtu.be/YJg02ivYzSs) zu AR-Realitäten, welche wir im Seminar mit freisicht gesehen haben, dienen Pfeile und eingefügte Texte dazu, das Werk «Wucher» des Künstlerduos zu beschreiben und in einen grösseren Kontext zu ihren anderen Installationen zu setzten. In erster Linie soll der Zugang zu dieser modernen Installation vereinfacht werden und motivieren, die Glasvitrine genau zu betrachten, sodass die unterschiedlichen kleinen Objekte zum Vorschein kommen. In einem weiteren Schritt könnten Hintergrundinformationen zu ihren eingesetzten Materialien (wie Kunstdünger) helfen, andere Installationen, welche auf der ganzen Welt zu sehen sind, zu analysieren.

Wir stellen uns ein verspieltes AR-Projekt vor, mit Hintergrundinfos zum Werk und den beiden Künstler:innen zusammen mit weiterführenden Spielereien. Dabei geht es hauptsächlich darum mit der Software vectary eine 3D Landschaft zu kreieren, welche einem Dschungel ähnlichsieht. Die Umgebung, welche Objekte vor und hinter, sowie auf beiden Seiten der AR-benutzenden Person enthält, soll Motive und Thematiken der Installation «Wucher» farblich wie formgebend aufgreifen. Pflanzen, welche in ihrer Materialität auch künstliche Oberflächen wie Plastik (z.B Abfallsäcken) aufgreifen und doch an einen tropischen Wald erinnern, werden eingesetzt. Zusätzlich wird eine Figur, ein Kunstdüngermonster erstellt, welche Nahe am zu scannenden Code ist, und den Zugang zu den Erklärungen und Texten erleichtert. Für ein weiteres Projekt wäre es interessant diese Figur, welche durch die AR-Welt führt, anhand von Free Motion Capture Files zu animieren. Zur Visualisierung der Umsetzung des Projektes wurde das Kunsthaus Aargau erneut besucht und es wurden Fotos und Videos gemacht, die uns bei der Nutzung der AR-App vor der Installation «Wucher» zeigen.

Reflexion
Als weiterführende Idee können wir uns weitere AR–Projekte mit 3D Installationen von Gerda Steiner und Jörg Lenzlinger vorstellen. Dabei bieten sich vor allem Kunstwerke im öffentlichen Raum an, wie zum Beispiel das Blumenfenster am Kongresshaus. Diese Umsetzung bringt einige Herausforderungen mit sich: Einerseits bedarf es einer Bewilligung. Andererseits werden wohl vom Kongresshaus oder anderen Institutionen Tablets den Besucher:innen nicht zur Verfügung gestellt, um so eine AR-Erweiterung eines Kunstwerkes anzusehen. Grundsätzlich wird es daher notwendig sein, die Möglichkeit zu erhalten, einen QR-Code anzubringen, der einen durch den Download der artverse App führt, damit die Besucher:innen das AR-Produkt ansehen könnten. Sollte all dies gelingen, brauchen wir nur noch auf ein starkes Internet zu hoffen, das den Download der App möglich macht.

Trotz diesen Hürden hat der Gedanke, Menschen beim Vorbeilaufen, anzuregen, sich über Mensch- und Umweltbeziehungen Gedanken zu machen, Potential. Das Kunsthaus Aargau ist mit seiner Infrastruktur und fortschrittlichem Denken bezüglich der Digitalisierung in Museen ein idealer Ort, um eine erste Umsetzung zu den Werken von Gerda Steiner und Jörg Lenzlinger auszuprobieren. Zudem werden Besucher:innen die App artverse auch für weitere Objekte in den Ausstellungsräumen brauchen, weswegen sie sie eher herunterladen, als für eine einzelne Installation, an welcher sie vorbeilaufen.

Eine besondere Herausforderung war die Orientierung der drei Achsen in der Software von Vectary sowie die anschliessende räumliche Anpassung im Kunsthaus.

Insbesondere das harmonische Anpassen der AR–Landschaft an die räumlichen Gegebenheiten im Kunsthaus im Zusammenhang mit der Installation musste mehrfach verändert und angepasst werden. Unsere Endversion der AR-Landschaft ist sehr dicht an Text, Farben, Formen und Strukturen. Sie «wuchert» selbst und passt so sehr gut zum Kunstwerk. Das Spiel mit den drei Dimensionen im Raum ist gelungen und zeigt den Mehrwert von AR im Ausstellungsraum. Das ursprüngliche Kunstwerk kann dabei leicht in den Hintergrund geraten. Als Verbesserungsvorschlag würden wir die Landschaft an Objekten reduzieren. Eine Idee ist, einzelne Objekte aus der Vitrine aufzugreifen, beispielsweise eine CD , ein Ohrenstäbchen oder ein Ei und anhand eines Textes die Zuschauer:innen darauf aufmerksam zu machen, dass sie dieses Objekt in der Glasvitrine suchen sollen. So entsteht ein Dialog zwischen AR–Landschaft und realer Installation.

Literaturverzeichnis
Steiner, Gerda & Lenzlinger, Jörg (2003): Wucher URL: https://www.steinerlenzlinger.ch/?cat=52 [Zugriff am 22. November 2022].

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