Das Blockseminar

Bei den «Menschfresserleuthen in der Newenwelt America»: Hans Stadens „Wahre Historia“

1492 brachen die ersten Europäer von der iberischen Halbinsel auf und landeten auf amerikanischem Boden. Die illiterate Neue Welt und die Alte Welt, in der damals in deutschsprachigen Städten der Buchdruck rasch an Terrain gewann, prallten erstmals aufeinander. Jahrzehnte später entfaltet sich dieser culture clash mit Auswirkungen beidseits des Atlantiks in seiner ganzen Schärfe. Mittlerweile lagen mehrere europäische Länder im Wettstreit um die Herrschaft auf dem neuen Kontinent, stets mit indigenen Allianzpartnern.

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Der deutsche Söldner Hans Staden heuerte auf spanischen und portugiesischen Schiffen an. Bei einer Erkundung der südamerikanischen Küste wurde er von den als Kannibalen bekannten Tupinambá in Brasilien gefangengenommen, kam jedoch lebend nach Europa zurück. In Marbach erschien 1557 seine „Historia“ im Druck; der Autor stützte sich zur Verbreitung seines illustrierten Erfahrungsberichts auf das neue Medium. Der mit zahlreichen Holzschnitten ausgestattete Druck wurde international zu einem Bestseller. Stadens „Historia“ zählt zu den ersten ethnografischen Dokumenten über Kulturkontakte zwischen Europäern und Indigenen in Südamerika, enthält zoologisch relevantes Wissen und wurde in die von Theodor de Bry in Frankfurt herausgegebene Reiseberichtsammlung (Band 3, 1593) aufgenommen.

Im Seminar werden wir uns Stadens Bericht und modernen filmischen Adaptionen aus unterschiedlichen Perspektiven annähern: Stadens Biografie und seine Berufskarriere in fremden Diensten – seine Schreibmotivation und Erfahrungsgrundlage; Fragen der Authentizität autobiografischer Textproduktion und der ethnografischen Neugier; die Ikonografie der ‚Wilden‘ in der Frühen Neuzeit in der Druckgrafik; ein Söldnerbericht aus Bestseller auf dem Buchmarkt; die Bedeutung sozialer Netze für die Buchproduktion; ein frühneuzeitlicher Bericht über ‚Wilde‘ und moderne filmische Adaptionen.

Das Blockseminar ermöglicht die intensive gemeinsame Arbeit und spricht mit der Vielfalt des Behandelten auch unterschiedliche kognitive Kräfte an. Wir erweitern den konventionellen Seminarbetrieb auch um performative und soziale Erfahrungsaspekte. Sie gestalten das Seminar mit, indem Sie Ihre Impulse, Interessen und Inspiration einbringen.

by Hildegard